verschieden ornamentierte Felder, bei denen dreierlei Farben, Gelb, Blau
und Rot, vorherrschen, so erinnert man sich sofort an die charakteristischen
Merkmale irisch-angelsächsischer Omamentation, die in den früher mit-
geteilten Proben, in dem lateinischen Evangeliar (cod. 1224) und auch in
dem durch diesen Stil beeinflussten Sacramentar Gregors des Grossen
(cod. 958) deutlich zur Geltung gelangen und hier an prächtigen, ihrem
Ursprung nach weit auseinanderliegenden Denkmälern studiert werden
können.
Die Frage, ob die Anlehnung frühmittelalterlichen, italienischen Buch-
schmuckes an irisch-angelsächsische Muster dem sogenannten „Reichsstil"
angehörte oder durch besondere lokale Einflüsse bedingt war, bleibe hier
in all ihren Einzelheiten unerörtert. Die italienischen Forscher geben
Einfluss jenes nordischen Stiles zu, und zwar zunächst mit Rücksicht
auf die berühmteste frühmittelalterliche Schreibschule Oberitaliens, die
des Klosters Bobbio, das 612 von einem irischen Mönche, dem heiligen
Columban, gegründet wurde. Auch das noch ältere Montecassino im
Neapolitanischen (519 vorn heiligen Bernhard gegründet), eine hochange-
sehene PHegestätte der longobardischen Schrift, von der die Hofbibliothek
ein schönes, mit mächtigen Initialen geziertes Spezimen in dem cod. 903
(XJahrhundert) besitzt, stand in Beziehung zu Irland, und eine hieraus sich
ergebende Einwirkung auf den in so vielen prächtigen Denkmälern erhaltenen
cassinensischen Buchschmuck stellt Piscicelli fest.
Eine zu Bobbio im VIII. oder IX. Jahrhundert hergestellte {igural und
ornamental reich geschmückte Miniatur" trägt ausgesprochenes irisches
Gepräge, und nicht minder interessant ist es, dass eine Umrahmung in der
gleichfalls in Bobbio geschriebenen Handschrift des Lebens Columbans aus
dem IX. Jahrhunderth" auffallend an die von uns reproduzierten Rahmen
des eben erwähnten Sacramentars Gregors des Grossen erinnert; nur sind
diese, wie genauere Vergleichung zeigt, ebenmässiger durchgebildet als die
Bobbienser Randzier.
Doch diese Gesichtspunkte sind es nicht allein, welche den prächtigen,
den ganzen Längsraum der riesigen Foliokolumne einnehmenden Anfangs-
buchstaben F aus dem cod. 1167 der Beachtung wert erscheinen lassen.
Er bietet nämlich, worauf hier zum erstenmal hingewiesen wird, das
wichtigste Kennzeichen, um die Wiener Handschrift in eine Zahl schön
ausgestatteter italienischer Bibeln aus dem XI. und XII. Jahrhundert,
(sämtlich in Atlantenfolio, also, wie man damals sagte, „biblia magna"),
einzureihen, von denen die mehr erwähnte Arte sacra auf Tafel XXXIV,
XXXVI und XXXVII gute Proben bietet. Zu der Ähnlichkeit in der Form
des Buchstabens, im Flechtwerk an den oberen Querbalken und dem im
Dreieck zulaufenden Schaftende kommt noch die Gruppierung der die
d" Paleogral-la artistica ll, 14 .
d" Arte Sacra, Tafel X.
"M: Ebenda, Tafel XV.