Anfangswerte bildenden Kapital-
buchstaben, die sowohl in der
Wiener Handschrift, wie auch
in den auf Tafel XXXIV und
XXXVI repräsentierten Initien
mit „Detulit" auf der ersten
Kolumne abschliessen.Wir haben
hier offenbar eine gemeinsame
Vorlage vorauszusetzen, deren
edelste, aber wohl nicht älteste
Nachbildung unsere Wiener
Handschrift darstellt.
Aus einer gleich alten, sehr
ähnlichen Bibelhandschrift,
welche die Parabolae Salomons
bis zu den Propheten, sowie das
Neue Testament enthält und
gleichfalls aus St. Severin zu Nea-
pel an die Hofbibliothek kam
(cod. 1168), ist ein Blatt mit
Kanonesbogen reproduziert
worden. Diese Bogen finden sich
in byzantinischen Handschriften,
sie kehren in den irisch-angel-
sächsischen Manuskripten mit
charakteristischem Zierat ausge-
stattet wieder und wurden in zentraleuropäischen Schreib- und Malschulen,
ebenso wie in italienischen nachgeahmt. Der bereits erwähnte Codex der
Ambrosiana zeigt Anlehnung an die byzantinischen Muster; Feldereinteilung
auf den Bogen, sowie Band- oder Flechtwerk fehlen. Die vorliegende Probe
ist vor allem durch übermässige Schlankheit der Säulen bemerkenswert. Bei
den Bogen selbst und ihrem Schmuck denkt man sofort an die Vorliebe, welche
irische und angelsächsische Miniatoren für künstliche Verflechtung von
Spiralen und farbigen Bändern, für Variierung im Schmuck von Einzelfeldern,
für Anbringung von Vögeln etc. besassen. Auch hier gilt denn, was über die
Anwendung der eigenartigen Ornamente jener nordischen Schulen kurz vor-
her bemerkt wurde.
Die Tatsache, dass Dante Purg. XI, 79 die Miniaturmalerei als Kunst
bezeichnet: „Che alluminare chiamata e in Parisi", dass also einer der
sprachgewaltigsten italienischen Dichter zur Bezeichnung einer in seiner
Heimat viel geübten Kunst einen französischen Ausdruck heranzieht, kann
leicht missdeutet werden. Frankreich war allerdings zu Dantes Zeit die
geistige Vormacht in Europa. Unter allen Literaturen war die französische
die reichste und hervorragendste, an Einfluss, namentlich in Oberitalien,
ÄQIIS.V.E2JÄV .
Angevinisches Gebetbuch (cod. x92!)
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