400
Von der vielfachen Anregung, welche die ziemlich zahlreichen Miniaturen
des Gebetbuches in ihren Vorwürfen bieten, möge das hier reproduzierte
Bild eine Probe geben.
Die von dem senensischen Meister stammende Darstellung zeigt uns
König Ludwig den Heiligen, der einem an wohlbestellter Tafel sitzenden
Mönche einen Trinkbecher darreicht. Riegl erinnert an eine Vita des Heili-
gen, die uns erzählt, dass der König Arme und Mönche speiste und selbst
bediente; Brotscheibe und Fisch, die auf dem Tische liegen, mahnen an die
in derselben Quelle überlieferte Nachricht, dass der König den Mönchen
eines Zisterzienserordens am Freitage Brot, Fische und Wein spendete.
Auch die übrigen Bilder führen sehr anschaulich in den Gedankenkreis
der Illustratoren des Gebetbuches ein, das einer Zeit entstammt, die kurz
nach Dantes Tod fällt, während Petrarca noch lebte.
Unter den bildergeschmückten Trecentohandschriften unserer Palatina
reiht sich hier am besten eine Bilderbibel (cod. 1191) an, die zwar etwa ein '
Menschenalter später hergestellt wurde als das eben besprochene Denkmal
neapolitanischer Malkunst, jedoch diesem, wie gleich gezeigt werden soll,
in mancher Beziehung nahesteht.
Von dem reichen Schmuck dieser Bilderbibel gibt die hier vorgelegte
Probe mit der Darstellung der Schöpfung - die vier übereinandergestellten
Felder repräsentieren einen Initialbuchstaben: I - und des Sündenfalles nur
eine unvollkommene Vorstellung. Nicht weniger als 168 Seiten der mäch-
tigen Foliohandschrift sind mit solchen miniierten, durch einen Vierpass
eingeschlossenen Textillustrationen oder mit Ranken am Rande geziert,
welch letztere am Anfang des Buches durch mannigfaltige Drölerien belebt
werden. Von Blatt 3x, das heisst von dem vierten Quinternio an, werden
die Zierrahmen monotoner, ziemlich schematisch; mit dem Psalterium
(Blatt 457) beginnt aber eine neue Art der Randillustration, die bis zum
Schlusse dieses Teiles reicht, sorgfältige Arbeit und guten Geschmack verrät.
Die Textillustration ist ganz durchgeführt, ein Umstand, der unsere Hand-
schrift von dem mit ihr enge verwandten, gleichfalls aus dem XIV. Jahr-
hundert stammenden Bibelmanuskript, cod. lat. 3350 der Vatikanischen
Bibliothek, in dem die Illustrationen nur im ersten Teil ausgeführt wurden,
unterscheidet. Die Beschreibung, die Stefan Beissel vom Bildschmuck dieses
Manuskripts liefertz" „Die ganz ausgeführten Miniaturen haben im Hinter-
grund Gold oder Muster oder perspektivisch gezeichnete Innenräume,
zuweilen auch Landschaften. Feine schwarze Konturen sind wiederum auf
die vollendeten Deckfarben gesetzt. Die Ränder tragen Tiere, phantastische
Gestalten und Borduren voll fester Ranken. Der Maler verwendete viel
starkes Rot und Blau, aber auch leichtere Farben: helles Grün, Lila und
lichtes Gelb", passt vollkommen auch für die Miniaturen unserer Handschrift.
Das merkwürdigste Analogon bildet aber die Darstellung der Trinität.
Trotz des stark verjüngten Masstabes sieht man auf unserer Reproduktion
"' „Vatikanische Miniaturen", S. 40. Hiezu die Tafel XXII.