zurückgehen, und erst jüngst hat Hans Graeven, indem er Typen der „Wiener
Genesis" auf byzantinischen Elfenbeinreliefs nachwies (Jahrbuch XXI, 915.),
eine Reihe ähnlicher Fälle namhaft gemacht. In der Tat bietet nun unser
Wiener Benoit-Manuskript Miniaturen, die mit einigen von Schlosser behan-
deltenReliefs unverkennbareÄhnlichkeitzeigen. So ist die anBenoit (v. r 65off.)
anschliessende Darstellung auf einem Kästchen des Musee de Cluny: „Jason
nimmt das in Kindesgestalt geformte Zauberbild von Medea entgegen"
(a. a. O., 262, Fig. 22), fast eine in die Plastik übertragene Wiederholung der
Miniatur auf Fol. 11 unserer Handschrift, nur mit dem Unterschiede, dass
jason hier nicht vor Medea kniend dargestellt wird. Wenn Schlosser
hervorhebt, dass auf den Reliefs „die Liebesszene mit Medea keine Spur von
jener Sinnlichkeit verrät, wie sie die Verse Benoits durchglüht", so ist zu
bemerken, dass der Miniator dem Text gerechter wird als der Bildhauer,
da gleich neben der Übergabe des Zauberbildes die beiden Liebenden in
inniger Umarmung zu sehen sind, und zwar so, dass Medea den sich etwas
passiver haltenden Jason fest an sich drückt und küsst; zur Rechten sehen
wir gar neben den Liebenden ein Bett - den Kopf der Medea, die offenbar
in demselben lag, und jason, der ihr naht, hat ein Vorläufer des Senators
Berenger völlig abgerieben und ausgelöscht. Der Bilderzyklus der illustrierten
Handschriften des „Roman de Troie" ist, wie man aus diesen leicht zu ver-
mehrenden Parallelen sieht, ein wertvolles Supplement zur Erklärung der
gedachten Reliefs, da er ihnen zeitlich gewiss vorangeht.
Von diesem Gesichtspunkte aus betrachtet gewinnt natürlich die für den
ganzen Text durchgeführte Illustration des Benoit-Romans unserer Hand-
schrift erhöhte Bedeutung. Ohne besonders grossen Kunstwert zu bean-
spruchen, erregen die zahlreichen Bilder als sorgfältig und nicht ohne
Verständnis durchgeführte Erklärungen eines beliebten Textes Aufmerk-
samkeit. Die mühevolle illustrative Arbeit ist nicht bloss für unsere
Handschrift allein geleistet worden, sondern auch - _ wie wir ja bereits
wiederholt sahen - anderweitig zur Verwertung gelangt.
Mit dem Bildwerk unserer Handschrift selbst blieb bisher natürlich auch
der Umstand unbeachtet, dass diese Illustrationen jenen des Exemplars der
Pariser Nationalbibliothek F. fr. 782 (ancien 7x89) aufs engste verwandt
sind. Die Miniaturen des Pariser Manuskripts, die P. Paris in seinem Katalog
hervorhebt („Les manuscrits francois de la Bibliotheque du Roi", VI, 161),
kehren auch in der Wiener Handschrift vollkommen genau mit allen charak-
teristischen Kennzeichen wieder; nur die Seitenzahlen differieren. S0 heisst
es bei Paris: „Rernarquez surtout fo. r (Wiener Handschrift I r), medaillons
des inventeurs des sept arts; fo. 2 v (Wiener Handschrift zr), vue d'une
bibliotheque, couvertures de livres a la tin du XIVe siecle", fol. 5 (Wiener
Handschrift, Fol. 3), Benoit de Sainte More lisant son ouvrage a des dis-
ciples attentifs" u. s. w.
Überdies hat Paul Meyer in einer sorgfältig geführten kritischen Unter-
suchung der Handschriften des „Roman de Troie" festgestellt, dass das Pariser