Wiener Handschrift wurde am r8.]uni 145g, die Dresdener am 29. April 1460,
also kurze Zeit später, vollendet. Wir nennen Jacobus Veronensis absichtlich
einen Kalligraphen. Die Sauberkeit, welche die zierliche Schrift und die
ungemein reiche, manchmal zu reiche Anwendung der Goldtechnik aus-
zeichnet, charakterisiert auch die üppige Ornamentik, das weisse Gerinnsel
zwischen den farbigen, vielfach goldgehöhten Füllungen; gegenüber diesen
Vorzügen sticht das Handwerksmässige der figürlichen Darstellungen, deren
Schwierigkeit der Schönschreiber nicht gewachsen war, merklich ab. Buch-
holz nahm deshalb, sowie mit Rücksicht auf die Fassung der Schlussklausel
„Per me jacobum Veronensem" (statt „Scriptum per . . . f") an, dass sowohl
. Text wie Bilder von ein und derselben Hand herrühren."
Derselbe Forscher hat erkannt, dass das auf dem ersten Blatt der
Dresdener Handschrift erscheinende Wappen - auf Feld I und 4 des qua-
drierten blauen Grundes die französischen Lilien, auf 2 und 3 ein weisser
Adler - das der ferraresischen Herzoge sei, und dieses Manuskript, wie aus
der Datierung (1460) hervorgeht, Borso von Este gehörte. Da nun das
Dresdener Manuskript sich als eine Nachbildung des früher entstandenen
Wiener Exemplars darstellt, so wird man wohl annehmen können, dass
auch dieses für einen Mäcen bestimmt war. Der Spruchschild auf dem
zweiten Titelblatte ist, wie man sieht, leer geblieben. Die auf Blatt 35V
(„Triumph der Tugend") und 37 v („Triumph des Ruhmes") in Medaillons
erscheinenden Männerbildnisse (Brustbilder) sind zu schematisch gehalten,
um zur Ermittlung der Provenienz beitragen zu können. Aus einem Brief
des Kardinals Alessandro Albani, datiert Rom, 7. Juli x725, geht hervor,
dass dieser Kirchenfürst das Manuskript dem Prinzen Eugen zum Geschenke
darbrachtef"
Die hier vorgelegten Proben reproduzieren die beiden ersten, den
Trionfo d'amore einleitenden Vollbilder der Handschrift. Die Vorwürfe sind
durch den Text der ersten Verse dieses Trionfo gegeben. Petrarca schläft
im Grünen (Ivi fra l'herbe . . . vincto dal sonno) und sieht im Traume den
Triumphwagen Amors (Vidi un victorioso et sommo duce - Pur come un
di color che 'n Campidoglio - triumphal carro a gran gloria conduce). Durch
die prächtige Publikation von Essling-Müntz wird es möglich, unsere Dar-
stellung des Triumphes der Liebef" mit den überaus zahlreichen anderen,
die den nämlichen Vorwurf nicht nur in Handschriften, sondern auch auf
Fresken, Tafelgemälden, Wandteppichen, Reliefs u. s. W. enthalten, zu
vergleichend-
' Vgl. Zeitschrift für bildende Kunst, XXII (1887), m85.
i" Ein Blatt mit einem Auszug aus dem betreffenden Schreiben ist in die Handschrift eingeklebt. Der
Absender meint naiv, dass das Petrarca-Manuskript „de tempi del medesimo" sei.
"f Eine sich auch auf dern entsprechenden Bilde des Dresdener Exemplars findende Eigentümlichkeit
derselben Darstellung besteht darin, dass dem Triumphwagen Amors nicht jupiter, sondern ein gefesselter
Papst voranschreitet; Essling-Müntz sehen in der Gestalt einen „monarque ä triple couronne".
1' Nicht berücksichtigt sind in der Publikation die bereits früher erwähnten Bilderhandschriften der
"Documenti d'amore" Barberinos, die ob ihres Alters (Anfang des XIV. Jahrhunderts) eine bemerkenswerte
Stellung in diesen Schildereien einnehmen.