schätzung erlangten und demgemäss auch in prächtigen Exemplaren ver-
vielfältigt wurden.
Bevor wir die Handschriften klassischer Texte würdigen, welche dieser
Bewegung ihren Ursprung dankten, sei durch ein Beispiel darauf hingewiesen,
dass auch die den kirchlichen und Devotionswerken gewidmete Illustrations-
kunst auf italienischem Boden an jener Renaissance mächtig teilnahm.
Hiefür sind die prachtvollen Corali des XV. und XVI. Jahrhunderts, von denen
einzelne italienische Kirchen ganze Serien aufzuweisen haben, beredte
Belege. Mit noch grösserem Kunstfleiss wurden Bibelwerke ausgestattet,
und eines der herrlichsten Zeugnisse dieser Tätigkeit, die berühmte Borso-
Bibel, befindet sich ja, wie bekannt, hier in Wien, und zwar in der Samm-
lung des Erzherzogs Franz Ferdinand von Österreich-Este.
Die Miniaturen-Ausstellung legt zwar kein Denkmal von so impo-
nierender Grösse und Pracht in der italienischen Abteilung vor, wohl aber
eine ungemein zierliche und in mehrfacher Beziehung bemerkenswerte Probe
der Devotionszwecken dienenden Miniaturmalerei des Quattrocento; es ist
ein lateinisches Gebetbuch (cod. 1981), dessen wunderbar feiner Schmuck
volle Aufmerksamkeit erheischt.
Das zu Beginn der Handschrift eingemalte Wappen der Contarini weist
nach Venedig, die Eintragung Fol. 6 b (in dem Kalender, der den Gebeten
vorangeht): Consecratio ecclesie nostre sancte marie de virgine auf
die Kirche S. Maria delle Vergini; die Variante im „Stabat Mater"
(F01. 252): Inflammata et accensa H Per te virgo sim defensa, und
andere Stellen in den Gebettexten zeigen, dass das Gebetbuch für
ein weibliches Mitglied der Familie Contarini bestimmt war. Dieser
Bestimmung entspricht die Ausstattung des Gebetbuches. Es ist durchaus
in Silber und Gold geschrieben; ersteres ist freilich heute bereits stark
oxydiert, dagegen hat sich die Goldschrift gut erhalten. Die wunderbare
Zartheit der Zierstücke in Gold wird keine Nachbildung wiederzugeben
imstande sein. In die reproduzierte Initiale „S" ist mit grosser Sorgfalt eine
Darstellung der Verkündigung eingernalt.
Es ist dies ein ganz kleines Beispiel aus der Fülle von Darstellungen
dieses Sujets, das in mannigfaltigen Variationen in den italienischen Bilder-
handschriften anzutreffen ist. Maria sitzt unter einem Ciborium, den Engel
sieht man kniend und eine Lilie in der Hand haltend ausserhalb desselben.
Aus der Menge des hier zur Verfügung stehenden Vergleichsmaterials
sei eine ähnliche Darstellung in einer im Museo Civico zu Venedig (Cicogna
Nr. 834, Riparto Commissioni M III, Nr. 297) aufbewahrten Dogeninstruktion
hervorgehoben. Maria kniet dort in einer offenen, von Säulen getragenen
Halle, der Engel, ähnlich wie in der Wiener Handschrift, links; goldene
Strahlen, die auch in dem Wiener Bild angedeutet sind, führen von einer
Engelsgestalt zur Jungfrau, und inmitten dieser Strahlen schwebt eine Taube.
Wie. dieses Gebetbuch nur als einziges Beispiel für die überaus reiche,
in kirchlichen und Erbauungsbüchern uns entgegentretende Illustrationskunst