welcher gerecht zu werden es eingehender philologischer und antiquarischer
Untersuchung bedarf.
Wir beginnen mit einem Exemplar der Werke Vergils; dem Führer
Dantes, dem heidnischen Klassiker, den das Mittelalter gern heilig gesprochen
hätte, gebührt diese erste Stelle. Die Handschrift, die wir meinen (cod. 71),
erinnert durch das stark ausgeprägte Gerinnsel? des Titelblattrahmens und
der Initialen an die früher besprochene Petrarca-I-Iandschrift, der sie auch
in ihrer Entstehungszeit (1452) nahesteht. In das Gerinnsel der Vergilhand-
Schrift sind Embleme eingemalt, die unser Interesse beanspruchen. Sie ge-
hören, wie man sofort sieht, den Mailänder Sforzas an; Auftraggeber war,
wie aus der Datierung erhellt, Herzog Galeazzo Maria, doch die später auf-
gemalte Eintragung zu beiden Seiten der Viper FR VI beweist, dass sich
hier ein späterer Besitzer verewigen wollte.
Über den Ursprung einiger dieser Sforzaembleme („La vipera", „Tre
anelli incrociati," „Il morso") hat Luca Beltrami nützliche Aufschlüsse
erteilt." Auch die von V. E. d'Azeglio in einer Publikation C. Silvysh"
gebotenen Erklärungen der Impresen sind hier mit Nutzen heranzuziehen.
Betreffs des auf den ersten Blick nicht recht verständlichen Emblems mit
den Blumenvasen, meint d'Azeglio wohl mit Recht (a. a. O. S. 24): „Cette
impresa parait representer un vase, des ouvertures duquel poussaient des
plantes; comme on en voit en Hollande pour les bulbes des jacinthes." Be-
merkenswert sind die auf zweien der Embleme angebrachten deutschen
Sprüche: „Mit Zeit (Zait)" und: „Ich verghes nit". Der erstgenannte Spruch
ist aus unserer Reproduktion deutlicher erkennbar als der zweite (bei Bürste
und Pferdegebiss); hiebei sei erwähnt, dass eben dieser letztgenannte Spruch
in dem einen Impresenbuch (cod. 2168 der Trivulziana in Mailand) noch
eine Erweiterung erfährt. Unter demselben liest man nämlich auf einem
zweiten Spruchband noch:
„I-IIC N ET EN 1 CHES"
Die bisher noch nicht gefundene richtige Lesung dieser Zeichen kann
wohl keine andere sein als: „Ich denk es."1'
Während bei dieser Handschrift die Fragen nach Entstehungszeit,
Ursprung und Besitzer durch so deutliche Hinweise beantwortet werden,
"' Filr die Technik bei der Anfertigung dieser namentlich in Florenz zu reicher Entwicklung gelangten
Buchzier ist der halbfertige Schmuck einer in der Ambrosiana zu Mailand aufbewahrten, Ovids Metamorphosen
enthaltenden Handschrift (cod. G. x26 inf.) aufschlussreich. Zuerst wurde die Federzeichnung gemacht und das
Gerippe des Gerinnsels durch besonders dicke Striche rnarkirt. Dann wurden mit Mehlpappe die Striche, Punkte
und Knöpfe aufgetragen, die das Blattgold erhalten sollten. Hierauf legte man die Farben, die das Gerinnsel
einfassen (braun und blau) an; ganz zuletzt wurden die ausser den Rahmen fallenden Ornamente (Vögel und
Blumen) und das Blattgold angebracht. Die Initialfüllung, f ilr die der Raum ausgespart wurde, fehlt hier,
abgesehen vom Titelblatte, durchwegs.
'" ("Divixia Vicecomitum") Nozze Giuseppe Visconti - Carla Erha. Da] libro delle Arme Antique de
Milanmcod. 139a della bibliotecaTrivulziana. xgomVgl. auch G. d'Adda in dem früher angeführten Aufsatze S. 353.
m" Manuscrit Sforza. Fac-Simile d'apr'es le manuscrit original. Photographie et publie par C. Sily,
London, 1860.
1' So wird in einer italienischen Urkunde der Spruch: „Ich hof" transkribiert mit „HIC OF".