trägt ein anderes Prachtmanuskript, das wir hier anreihen wollen, ein
Exemplar der Naturalis Historia Plinius des Älteren (cod. 2), keine be-
stimmten, hierauf bezüglichen Hinweise." Man darf dies bedauern, denn die
Randleiste, welche die erste Seite
des Prooemiums einrahmt, gehört
nicht nur zu den reichsten, sondern
auch zu den geschmackvollsten
Proben dieserArt, welche die Miniier-
kunst aufzuweisen hat. Es ist dies
umsornehrhervorzuheben, als dieses
herrliche Muster - wie ja so viele
andere dieser Abteilung - von der
Kunstforschung bisher noch nicht
berücksichtigt, auch von Waagen
nicht einmal erwähnt wurde. An
Stelle des Gerinnsels tritt die reichste
Anwendung des Blattpflanzen- und
Blütenornamentes, das sich zum
Teil um zierliche Kandelabersäul-
chen rankt. Von besonderer Fein-
heit sind die eingezeichneten Tiere;
namentlieh ersten Drittel des Vollbild aus dem Manuskripte mit Ciceros Reden (cod. 4)
rechten Randes angebrachten Rehe
sind ungemein naturwahr und lebendig dargestellt. Das Ganze atmet
französische Grazie und Feinheit. Die höchste Meisterschaft offenbart sich
aber wohl in der Darstellung der Putti; es dürfte wenige Handschriften geben,
in denen diese Figürchen in gleich freier, ungezwungener Haltung, so voll
Leben und Bewegung dargestellt sind, wie eben auf unserem Specimen.
Beachtenswert ist auch die Füllung der Initiale L, die uns Plinius in
seiner Studierstube arbeitend vorführt. Der gelehrte Römer erscheint in einer
Art Mönchskutte und hält vor dem Pult ein grosses illustrirtes Werk aus-
gebreitet; auf dem sich über dem Schreibtisch erhebenden Gestell liegen
Bücher. An der Wand ist eine Weltkarte (in Form eines Kreisringaus-
Schnittes) angebracht, über derselben ein Astrolabium.
Eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Schmuck der Titelseite unseres
Manuskriptes zeigen die, freilich in viel kleineren Dimensionen gehaltenen
Miniaturen einer Petrarcahandschrift der Trivulziana, Nr. 905.": Petrarca
schreibt ebenso wie Plinius in seinem Studio; die Weltkarte ist genau so
dargestellt wie in der_Initialfüllung der Wiener Handschrift. Vielleicht gehören
t" Als Schreiber nennt sich „Nicbolaus Riccius Spinosus".
H" Der gelehrte Bibliothekar dieser Sammlung, Herr Emilia Motta, hat sofort, als ich ihm eine Photographie
des Titelbildes der Wiener Handschrift vorwies, der Konstatierung dieser Verwandtschaft heigestimmt. In
Porro's Katalog finde: sich ausser einer genauen Beschreibung der Trivulzio-Handschrift (S. 34a) auch eine Nach-
bildung. (Vgl. auch Essling-Müntz, Petrarque S. 83, S. x58 H.) Der Irrtum Rosinis, dass die Miniaturen dieses
Manuskripts Giulio Clovio angehören, ist längst berichtigt worden.