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Volltext: Monatszeitschrift V (1902 / Heft 10)

nach wie vor Ernst Stiner obenan, der mit ungewöhnlichem Talent und grösstem Fleisse 
sich in die Art der besten altösteneichischen Landschafter hineingearbeitet hat, ohne Nach- 
ahmer zu werden. Er ist ein ganz persönlich empfindender und darstellender Künstler und 
es mag interessieren zu hören, dass Herr Stifler die Realschule besucht hat, sodann Rech- 
nungsbeamter geworden ist und erst vor wenigenjahren in der Gesellschaft Anregung und 
Anleitung zu Naturstudien empfangen hat. Ihm treten mit zum Teile sehr tüchtigen 
Leistungen Karl Weiss, der Obmann der Gesellschaft Franz Gander, dann Adolf Härtel, 
Emil jell, Josef Rausnitz, Hermann Ringel, Karl Schneider und die Damen Elisabet Braun 
und Adele Werner zur Seite. Allen Arbeiten, es waren dritthalb Hundert von 33 Teil- 
nehmern ausgestellt, merkt man Liebe zur Natur und Begeisterung für die Kunst an, allen 
diesen im besten Sinne echten und rechten Dilettanten schwebt das edle Ziel 
vor: sich die Freude an der Natur zu erhöhen durch Erfassen und Festhalten ihrer 
Schönheiten. Mit Berufskünstlem, mit denen es so mancher von ihnen getrost auf- 
nehmen könnte, in Konkurrenz zu treten, fällt ihnen nicht entfernt in den Sinn. Und 
nicht der Befriedigung ihrer Eitelkeit sollen diese Ausstellungen dienen, welchen das 
Österreichische Museum nun schon zum drittenmale in wohlerwogener Absicht Gast- 
freundschah gewährt hat, sondern ihr Zweck ist, andere zu gleichem oder auch besserem 
Tun anzuregen und zu zeigen, von welch hoher Bedeutung der Dilettantismus in der Kunst 
ist. Wer auch nur so zeichnet und malt wie diese Herren und Damen, wird nicht dünkel- 
haft und borniert wahrhaken Offenbarungen der Kunst gegenüberstehen, sondern in Auf- 
fassung und Urteil geschärft, mit sicherem Gefühle das Wertvolle vom wertlosen Kunst- 
gebilde zu unterscheiden und damit in dankbarer Empfänglichkeit die höchsten Strebungen 
der Kunst zu verstehen und an seinem Teile zu fördern vermögen. Aufmerksame Beob- 
achter konnten deutliche Fortschritte in den Leistungen der einzelnen Aussteller bemerken: 
die unmittelbare Führung durch die Lehrer tritt zurück, die persönliche Note der Schüler 
wird stärker, ein erfreuliches Zeichen des Eifers Beider. Wir veröffentlichen auf einer 
unserer Farbentafeln ein reizendes stimmungsvolles Blatt von Weiss: „Brücke bei Lang- 
Enzersdorf". E. Leisching 
GRABMQNÜMENT VÜN RÜDQLF PRIQR. Zu den wenigen erfreulichen 
Umständen, unter denen unsere Bildhauer arbeiten, gehört der, dass die Grabplastik 
unter dem Einflusse des modernen Geistes an Leben und Bedeutung gewonnen hat. Sie 
ist reicher und interessanter geworden und sieht sich vor Aufgaben gestellt, die eine freie 
Betätigung der Künstlerphantasie ermöglichen. Die Periode, die sie kaum noch hinter sich 
hat, war eine recht traurige. Neben der Abgeschmacktheit der Motive, die sie immer 
wieder zu behandeln hatte, waren es namentlich die zahlreichen Beschränkungen, die 
ihr von allen Seiten auferlegt wurden, unter denen sie litt. Langsam beginnt nun die 
Befreiung. Auf eine Periode absoluter Nüchternheit, der eine schablonenhafte Anwendung 
religiöser Motive zur Seite ging, ist eine der Vertiefung und Verinnerlichung des Empfindens 
gefolgt. Wie zu allen Zeiten, so ist auch heute das stille Gräberfeld das sprechendste Stück 
zeitgenössischer Kulturgeschichte. Nirgends kommt das, worauf eine Zeit den grössten 
Wert legt, so unzweideutig zum Ausdruck wie hier. Echtes Gottvertrauen und uner- 
schütterlicher Unglaube, riihrselige Empfindsamkeit und grober Materialismus, Ruhmsucht 
Eitelkeit, Protzenthum, sowie Demut, Bescheidenheit und schlichtbürgerliche Denkungs- 
art, wir finden sie nirgends in so greifbaren Formen, ja man möchte sagen so naiv zur 
Schau gestellt wie auf den Friedhöfen. Und so ist denn auch das moderne Grabmal 
typisch für den Geist der Gegenwart. Man Hieht die leere Phrase, man hält sich fern von 
dem, was man nicht glaubt und findet im Einfachen und Ungesuchten poetische Elemente, 
für die man früher kein Auge hatte. In dieser Beziehung hat die Gegenwart manche 
Berührungspunkte mit der Antike. Auf attischen Grabreliefs finden wir anmudge Züge 
aus dem täglichen Leben der Verstorbenen dargestellt, das Gewöhnliche in die Sphäre 
stimmungsvoller typischer Erscheinungen erhoben, denn „alles Vergängliche ist nur ein
	        
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