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Fächer mit Malerei: „Die Stände". Elfenheingestell, durchbrochen, geschnitzt und bemalt, Französ. Louis XVI.
(Gräfin Wilczek) '
die Freunde der Präzisionsuhren. Ihre Welt fängt bei Glashütte an und
endet bei Genf, dem Mekka, dem sie sich beim Beten zuwenden. Die Uhr
als exakte Maschine, als Mikrometer der Zeit, ist noch immer eine Genferin.
Dort finden alljährlich die internationalen Reglagenkonkurrenzen statt, bei
denen in den letzten Jahren die Firma Vacheron 8: Constantin (jezt natürlich
Aktiengesellschaft) die besten Resultate aufzuweisen hatte. Auch die Firma
Patek, Philippe 8: Cie., vor etwa hundert Jahren als Patek 8: Czapek gegrün-
det - die Namen deuten in unsere nächste Nähe - steht in dieser Hinsicht
mit voran. Auch die kostbaren englischen Taschenuhren unserer Zeit sind
eigentlich Genfer Uhren, aber anderswo „domizilierfi Welche Fortschritte
seit den Jugendtagen unserer älteren Hof-Uhrmacher, die als Jünglinge die
Zähne der Zahnräder noch mit der Hand „wälzen" mussten, weil die Wälz-
maschine noch nicht erfunden war! Diese modernen Uhren, die vor allem
Zeitmesser sein wollen, haben auch ihre eigene Ästhetik, die gerade in unserer
Zeit der idealen Gebrauchskunst an Interesse gewonnen hat. Sie sind wahre
Muster der Zweckschönheit, wie „das Zweirad und das chirurgische Instru-
ment", - so lautet ja der klassisch gewordene Vergleich. Auch diese Schönheit
hat sich mit der Zeit in ihr Gegenteil verkehrt. Die Körperhaftigkeit der
eiförmigen Uhren (die Ausstellung zeigte wahre Kabinettstücke dieses Typus,
so das Nürnberger Ei aus dem Besitz des Erzherzogs Ludwig Viktor, oder
die nussförmige Uhr von Desarts in Genf der Baronin Franziska Widmann)
ist von der Bildüäche verschwunden. Die dicke Spindeluhr, die seit 1658 ihre
150 _]ahre der Blüte gehabt hat, mit den reizend ornamentierten Spindel-
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