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Objekt: Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild: Ungarn, Band 3

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und Verfeinerung der ungarischen Sprache, die Verbreitung der Bildung, kurz die 
Pflege, Entwicklung und blühende Entfaltung der Nationalität und alles dessen, was mit 
ihr zusammenhängt. Der Erreichung des gemeinsamen Ziels dienen alle diese verschiedenen 
Strömungen, die einander unterstützen, den brausenden Aufschwung von 1790 bis 1791 
vorbereiten und den größten Agitator der Literatur, Franz Kazinczy mit sich reißen auf 
den Kampfplatz. 
Um jedoch das halbe Jahrhundert von Kazinczy's Schriftstellerlaufbahn, deren 
erfolgreichster Abschnitt in die ersten zwanzig Jahre unseres Jahrhunderts fällt, im 
Zusammenhänge behandeln zu können, müssen wir zuerst von den drei hervorragendsten 
Dichtern dieser Epoche sprechen, die in Wahrheit keiner der erwähnten Dichterschulen 
angehören, obwohl sie manche Eigenschaften mit der klassischen oder der volksthümlichen 
oder der deutschen Richtung gemein haben. Zu Ende des vorigen und zu Anfang des 
jetzigen Jahrhunderts waren Josef Karman, Michael Csokouai und Alexander 
Kisfalndy die ausgezeichnetsten und wirksamsten ungarischen Schriftsteller. 
Josef Karman (1769 bis 1795) hing treu am Geiste der magyarischen Sprache und 
suchte, jedem fremden Einfluß abhold, auf rein nationaler Grundlage zu charakteristischem 
Ausdruck, zu einfachem aber klaren Vortrag zu gelangen, sich eine wohl abgewogene Prosa 
zu bilden und so die Richtung zu weisen, welche am ehesten zur erfolgreichen Ausbildung 
der poetischen Sprache führen konnte. Er forderte die Schaffung eines literarischen 
Mittelpunktes und war der Erste, der Pest zum Centrum des ungarischen Schriftthums 
machen wollte. Zu diesem Behnfe gründete er 1794 den Cirkel „Urania" und die gleich 
namige Vierteljahrsschrift, in der er seine Ideen mittheilte. Er wollte die Schriftsteller 
wie das Publicum für seine Richtung gewinnen, doch wurden seine Bestrebungen unter 
dem Joche der stetig wachsenden Reaction zunichte. Ein kleiner Roman: „Fanny's 
hinterlassene Schriften" (Pcmrü IraZ^oirrLirz'ai) gibt seinem Namen Dauer. Kärmän 
schildert in diesem Roman die Liebessehnsucht eines unglücklichen Mädchens mit so 
sicherem psychologischen Takt, so verfeinertem Geschmack und so lebhaften Farben, er 
beschreibt die ausschließliche und unbedingte Macht der Liebe mit so tiefer Kenntnis) der 
rührenden Empfindungen eines weiblichen Herzens, daß die ungarische Literatur bis dahin 
nichts Ähnliches aufzuweisen hatte. Viele glaubten, nur ein Weib habe diese ergreifende 
Schilderung entwerfen können, und dies ist das größte Lob für die Seelenkenntniß Karmans 
und für seine dichterische Gestaltung der Leidenschaft als entscheidender Macht. Er war 
— und dies ist kein geringes Verdienst — der erste ungarische Schriftsteller, der die Bilder 
der Natur mit echter Kunst in die malerische Darstellung der Empfindungen verwob. 
Kärmän ist ein strenger Kritiker der Zurückgebliebenheit und der nationalen Fehler, über 
die er einen Versuch: „Die Verfeinerung unserer Nation" (Xcmmstüirü csiirosoäüsa)
	        
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