ODERNER SCHMUCK}
Als Van de Velde vor
einigen Jahren einen völlig neuen
Formenkreis in die Schmuck-
fabrikation einbezog, hatte man
die Empfindung, dass in diesen
Formen zwar deutliche Annähe-
rungsversuche an den Charakter
der modernen Tracht lägen, dass
aber Anmut, Grazie und Phantasie
einen sehr geringen Anteil an
der Erfindung dieser neuen
Sehmuckgegenstände hätten: Es
war anzunehmen, dass nur ein
geringer Prozentsatz des Publi-
kums, und unter diesem wieder
der weitaus grössere Teil der-
jenigen Menschen, die stets auf
der Jagd nach Neuem aus sind, als
derjenigen, die mit ästhetischen
Erwägungen an die Auswahl eines
Schmuckes herantreten, an die-
sen Erzeugnissen Gefallen finden
wird. Der Anschluss an jene Bil-
dungsgesetze, die seit etwa 80
Jahren unsere Tracht beherr-
schen, war in diesen absonder-
liehenForrnentatsächlicherreicht.
Gleichzeitig liess sich eine ent-
fernteVerwandtschaftmitErzeug-
nissen der Goldschmiedekunst um
dieMitte des vorigenJahrhunderts
konstatieren. Die Schmuckarbei-
ten der Fünfziger-Jahre waren
aus einem von stilistischen Arn-
bitionen unberührten Kunsthandwerk hervorgegangen. Der Goldschmiedjener Zeit küm-
merte sich viel mehr um den Geschmack seiner Kunden als um künstlerische Vorbilder
aus früheren Jahrhunderten. Er war kunsthistorisch vollkommen ungebildet und trat
mit der hohen Kunst nur dann in engere Berührung, wenn es sich um exzeptionelle und
ganz bedeutende Aufträge handelte. Allerlei Verschlingungen von Goldstäben und breit-
iiächige Umrahmungen von Edelsteinen wurden als Busennadeln, Broschen, Ohr- und
Armringe, Gürtelschliessen u. s. w. verarbeitet. Diese Dinge schwanden mit dem er-
wachenden Interesse für alte Kunst. Niemand bedauerte ihren Untergang, denn
Kunstwerke waren es wahrhaftig nicht. Was sie aber darstellten, das lässt sich als ein
Bestreben nach Modernität bezeichnen, dem nur eines fehlt, in diesem Falle allerdings
das Wichtigste: der Hauch künstlerischen Lebens. Diese absolute Geistlosigkeit hinsicht-
lich der künstlerischen Inspiration ist nun bei den Gebilden Van de Veldes, wie sie in
allen grösseren Städten in Verbindung mit Sezessionsausstellungen und dergleichen auf-
traten, nicht mehr zu finden gewesen. Ein gewisser Gradvon Erfindung, von künstlerischer
Doppelschrank von W. J. Neathy
1' Moderner Schmuck von Walter Ortlieh. x6 farbige Tafeln nach Originalenlwürfen. Verlagsanstalt
Karl Koch-Kraus, Berlin.
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