Mittel und Wege sinnt
das, was seinem Geiste
vorschwebt, im prakti-
schen Leben zur Wahr-
heit werden zu lassen.
Ein zündender Eifer
macht seine Ausführun-
gen auch dann lesens-
wert und interessant,
wenn eine allzu subjek-
tive Art, die Dinge zu
beurteilen, der Gemein-
gültigkeit seiner Aus-
sprüche Eintrag tut. Ein
redliches Bemühen, den
Leser zu überzeugen, ver-
söhnt mit manchen Ein-
seitigkeiten der Betrach-
tung, und dieEmpi-indung,
einen ganzen Menschen
vor sich zu haben, der nichts verschweigt, was er sich denkt, und dessen Gedanken
selbständig und eigenartig genug sind, um ein mehr als vorübergehendes Interesse zu
erwecken, unterdrückt auch beim Andersdenkenden jede feindselige Regung.
Obrist behandelt seine Probleme in der Form von sieben Essays. Sie betreffen der
Reihe nach folgende Fragen: Wozu über Kunst schreiben und was ist Kunst? - Hat
das Publikum ein Interesse, das Kunstgewerbe zu heben? - Ein künstlerischer Kunst-
unterricht. - Volkskunst? - Die Zukunft unserer Architektur. - Zweckmässig oder
phantasievoll? - Neue Möglichkeiten in der bildenden Kunst.
Fast in allen diesen Aufsätzen ist das psychologische Moment, das ihnen zugrunde
liegt, mindestens ebenso interessant, wie der eigentliche Inhalt. Denn Obrist steht nicht
über den Dingen, er steht mitten drinnen. Indem er über Kunst und Künstler schreibt,
schreibt er über sich selbst, über sein eigenes Streben und Ringen. Es kocht und gährt
in ihm, und die für einen Künstler seltene Gewandtheit im Ausdruck und in der Sprache
setzt ihn in die Lage, vieles von dem zu sagen, was bei manchen seiner Kunstgenossen nur
in unklaren Empfindungen auf- und niederwogt. So lernen wir durch ihn kennen, was die
Jugend unter den bildenden Künstlern überhaupt bewegt und erregt. Die Aufsätze sollen
belehrend wirken und sind in noch viel höherem Masse Bekenntnisse. Als solche werden
sie etwa wie die „Herzensergiessungen eines kunstliebenden Klosterbruders" auch
noch in ferner Zukunft ihre Bedeutung bewahren. Das hindert natürlich nicht, dass
wir zahlreiche treffliche Wahrheiten im ganzen Buche verstreut finden, die auch für
den Tag von unbestreitbarem Werte sind und manchen praktischen Wink für die
schaffende Generation enthalten. Alles in allem führen aber auch Obrists Gedanken-
gänge zu keinem anderen Schlusse als dem, dass die Kunst heute mehr als je ganzer
Menschen bedarf.
Das naturwissenschaftliche Jahrhundert war der Kunst nicht in dem Sinne abhold,
dass es von ihr nichts hätte wissen wollen, sondern vielmehr in dem, dass es der Kunst
zu wenig Anregung bot. Ihr spezifisches Geistesleben stand fast ausser Zusammenhang
mit der Kunst. Nun ist es aber eine alte Wahrheit, dass die bildende Kunst sich von den
Ideen nährt, die etwa eine Generation früher durch die führenden Geister in die Masse der
Gebildeten getragen worden sind. Bevor wir also ein Geistesleben besitzen, das der Kunst
reichliche und gesunde Nahrung spendet, werden alle Wünsche, alle leitenden Grundsätze
und reformierenden Tendenzen fruchtlos sein und nur willkommene Nahrung für den
Sitzbank von W. J. Neatby