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Volltext: Monatszeitschrift VI (1903 / Heft 11)

kartusche Füllt er mit einer nur in Basrelief angedeuteten Tanzgruppe. Unsubstantiell 
soll das sein, gleichsam nur vorübergehende Erscheinung auf der Oberfläche eines goldenen 
Meeres. Deutlicher wird diese Absicht noch durch den Uhrdeckel gezeigt, dessen 
Schmuckmotiv man mit dem Motto „Rheintöchter" bezeichnen könnte. Natürlich ist es 
auch ganz unstofflich. Lalique reizte das Gleitende, Spielende flüchtiger Linien im 
flüssigen Element. Das variierte er. Seine Goldfläche ist wellig bewegt, es strudelt auf ihr 
und aus dem Grunde taucht es weich veriiiessend auf. Die Nuance der Stimmungsnamen 
Wellgunde, Woglinde ist in dieser Goldvariation restlos ausgedrückt. 
Für die Abendausstellungen im Berliner Kunstgewerbemuseum ist im Lichthof 
eine interessante Auslese antiker Knüpfteppiche sowie alter Stoffe aus allen Kulturen 
veranstaltet worden. In einem schönen Exemplar sieht man jene Elitegruppe persischer 
Teppiche repräsentiert, die vor allem in Wien so glänzend vertreten ist, die sogenannten 
Tier- (Jagd-) Teppiche aus der Zeit der Safidendynastie. Um die Mitte des XVI. Jahr- 
hunderts ist die Blütezeit dieser Knüpfarbeiten. Ihr Charakteristikum liegt in der starken 
Beeinflussung durch Motive aus der chinesischen Kunst. Die chinesischen Fabeltiere, 
der Phönix, das Kilin, der Drache erscheinen; die Wolkenbänder sind reichlich ver- 
wendet; das Kugelomament, drei übereinandergestellte Kugeln über parallelen Bändern, 
gleicht dem Emblem Buddhas und erinnert ebenfalls an chinesische Vorbilder. Das 
berühmteste Stück aus dieser Familie ist der Jagdteppich aus dem Besitz des österreichi- 
schen Kaiserhauses, den Bode in seiner lehrreichen Monographie (Leipzig, H. Seemann 
Nachf.) beschrieben. Er gibt die Schilderung einer persischen Jagd mit Reitern zwischen 
Löwen, Antilopen, Wildschweinen, Hasen, Füchsen, Hirschen. Zu diesen Motiven kommt 
aber die chinesische Note: zwei Drachen gähnen einen Phönix an und das ist das Wappen 
der Mingdynastie, die von 1368 an drei Jahrhunderte fast China beherrschte. Der Berliner 
Teppich zeigt auf cremefarbenem Grund in blau und rot Fabeltiere, besonders das Kilin, 
das sagenhafte Einhorn. 
Auch jenes Motiv des Mingwappens, Drachen und Phönix, finden wir in einem Stück 
dieser Ausstellung. Es ist nicht von dem artistischen Geschmack der Farbenamateure, es 
ist grobkörnig und hat sehr derbe gelbe und rote Koloristik, die Zeichnung muss als 
primitiv charakterisiert werden. Aber dies Stück hat hohen historischen Sammelwert. Es 
ist einer der ältesten Teppiche und seine Zeit ist genau zu bestimmen. Bode hat ihn nach 
seiner glücklichen Methode der Konfrontierung mit Bildern nachgewiesen. Das Muster 
dieses Teppichs erscheint abgebildet auf dem Fresko der Hochzeit der Findlinge von 
Domenico di Bartolo zu Siena, das zwischen 1440 und 1444 entstand. 
Eine andere Gruppe sind die persischen Teppiche, auf die europäischer Einfluss 
gewirkt hat. Man erinnert sich dabei jener seltsamen chinesischen Porzellankollektion des 
XVIII. Jahrhunderts, die vor einem jahre hier ausgestellt war und die ausgesprochen 
europäischen Dekor, Chodowiecki-Genre, Empire-Motive, Musenalmanach-Ornamente 
aufwies. 
Rokokomedaillons finden sich auf asiatischen Teppichen, Fruchtkränze in der Art 
der Luca della Robbia-Umrahmungen, grüngelb auf rotem Hintergrund. Das Merkwürdigste 
aber stellt der sogenannte Holländerteppich dar. Von weicher Farbendelikatesse, Creme 
mit mattrosa, zeigt er in den Ecken Schiffe mit Europäern, der Steuermann ist über Bord 
gefallen und ein Haifisch schnappt nach ihm. Die Zeichnung ist in der eckigen Manier alter 
Miniaturen gehalten. 
Zwei Teppiche fallen auf durch die Fülle der als Einzelstücke gerahmten Motive, die 
doch zu einer grossen Einheit sich verbinden. Sie haben auch den feinsten koloristischen 
Reiz. Wie ein hauchiger Flaum liegt es über ihnen, der weiche mattleuchtende Schmelz 
ist gleich den tiefen Tönen des Email cloisonne. 
Die Wanderung durch die Stoffe ist eine Reise durch die Jahrhunderte. Fast die 
grösste Überraschung kommt von den ältesten, von den Resten aus koptischen Gräbern 
des V. und VIII. jahrhunderts.
	        
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