kartusche Füllt er mit einer nur in Basrelief angedeuteten Tanzgruppe. Unsubstantiell
soll das sein, gleichsam nur vorübergehende Erscheinung auf der Oberfläche eines goldenen
Meeres. Deutlicher wird diese Absicht noch durch den Uhrdeckel gezeigt, dessen
Schmuckmotiv man mit dem Motto „Rheintöchter" bezeichnen könnte. Natürlich ist es
auch ganz unstofflich. Lalique reizte das Gleitende, Spielende flüchtiger Linien im
flüssigen Element. Das variierte er. Seine Goldfläche ist wellig bewegt, es strudelt auf ihr
und aus dem Grunde taucht es weich veriiiessend auf. Die Nuance der Stimmungsnamen
Wellgunde, Woglinde ist in dieser Goldvariation restlos ausgedrückt.
Für die Abendausstellungen im Berliner Kunstgewerbemuseum ist im Lichthof
eine interessante Auslese antiker Knüpfteppiche sowie alter Stoffe aus allen Kulturen
veranstaltet worden. In einem schönen Exemplar sieht man jene Elitegruppe persischer
Teppiche repräsentiert, die vor allem in Wien so glänzend vertreten ist, die sogenannten
Tier- (Jagd-) Teppiche aus der Zeit der Safidendynastie. Um die Mitte des XVI. Jahr-
hunderts ist die Blütezeit dieser Knüpfarbeiten. Ihr Charakteristikum liegt in der starken
Beeinflussung durch Motive aus der chinesischen Kunst. Die chinesischen Fabeltiere,
der Phönix, das Kilin, der Drache erscheinen; die Wolkenbänder sind reichlich ver-
wendet; das Kugelomament, drei übereinandergestellte Kugeln über parallelen Bändern,
gleicht dem Emblem Buddhas und erinnert ebenfalls an chinesische Vorbilder. Das
berühmteste Stück aus dieser Familie ist der Jagdteppich aus dem Besitz des österreichi-
schen Kaiserhauses, den Bode in seiner lehrreichen Monographie (Leipzig, H. Seemann
Nachf.) beschrieben. Er gibt die Schilderung einer persischen Jagd mit Reitern zwischen
Löwen, Antilopen, Wildschweinen, Hasen, Füchsen, Hirschen. Zu diesen Motiven kommt
aber die chinesische Note: zwei Drachen gähnen einen Phönix an und das ist das Wappen
der Mingdynastie, die von 1368 an drei Jahrhunderte fast China beherrschte. Der Berliner
Teppich zeigt auf cremefarbenem Grund in blau und rot Fabeltiere, besonders das Kilin,
das sagenhafte Einhorn.
Auch jenes Motiv des Mingwappens, Drachen und Phönix, finden wir in einem Stück
dieser Ausstellung. Es ist nicht von dem artistischen Geschmack der Farbenamateure, es
ist grobkörnig und hat sehr derbe gelbe und rote Koloristik, die Zeichnung muss als
primitiv charakterisiert werden. Aber dies Stück hat hohen historischen Sammelwert. Es
ist einer der ältesten Teppiche und seine Zeit ist genau zu bestimmen. Bode hat ihn nach
seiner glücklichen Methode der Konfrontierung mit Bildern nachgewiesen. Das Muster
dieses Teppichs erscheint abgebildet auf dem Fresko der Hochzeit der Findlinge von
Domenico di Bartolo zu Siena, das zwischen 1440 und 1444 entstand.
Eine andere Gruppe sind die persischen Teppiche, auf die europäischer Einfluss
gewirkt hat. Man erinnert sich dabei jener seltsamen chinesischen Porzellankollektion des
XVIII. Jahrhunderts, die vor einem jahre hier ausgestellt war und die ausgesprochen
europäischen Dekor, Chodowiecki-Genre, Empire-Motive, Musenalmanach-Ornamente
aufwies.
Rokokomedaillons finden sich auf asiatischen Teppichen, Fruchtkränze in der Art
der Luca della Robbia-Umrahmungen, grüngelb auf rotem Hintergrund. Das Merkwürdigste
aber stellt der sogenannte Holländerteppich dar. Von weicher Farbendelikatesse, Creme
mit mattrosa, zeigt er in den Ecken Schiffe mit Europäern, der Steuermann ist über Bord
gefallen und ein Haifisch schnappt nach ihm. Die Zeichnung ist in der eckigen Manier alter
Miniaturen gehalten.
Zwei Teppiche fallen auf durch die Fülle der als Einzelstücke gerahmten Motive, die
doch zu einer grossen Einheit sich verbinden. Sie haben auch den feinsten koloristischen
Reiz. Wie ein hauchiger Flaum liegt es über ihnen, der weiche mattleuchtende Schmelz
ist gleich den tiefen Tönen des Email cloisonne.
Die Wanderung durch die Stoffe ist eine Reise durch die Jahrhunderte. Fast die
grösste Überraschung kommt von den ältesten, von den Resten aus koptischen Gräbern
des V. und VIII. jahrhunderts.