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Eigenthümlichkeit, daß sie keine Westfa^ade hat, ja gar keine haben kannte, da ihr Gebiet
dort, wo jetzt die Häuser stehen, durch den der Stadtmauer folgenden tiefen Graben
begrenzt wurde.
Der Bau begann um die Mitte des XIII. Jahrhunderts an der Westseite mit dem
Thurme. Dieser erhebt sich vor dem Mittelschiff der Kirche, in gleicher Breite mit dem
selben ; er fiel einst in die Linie der die Stadt umschließenden Doppelmauer, so daß seine
Außenwand die Fortsetzung der äußeren Stadtmauer bildete; er diente als Schutz gegen
die gegenüberstehende Festung und sieht deshalb mehr irgend einer Citadelle, als dem
Thurme einer gothischen Kirche gleich. Rechts und links oom Thurme wurde, der Breite
der Seitenschiffe entsprechend, je eine Kapelle gebaut; die nördliche diente mit ihrem
Erdgeschvßraum als Sakristei, während das Erdgeschoß der südlichen, vielleicht nach der
Böhmenkönigin Kunigunde, Enkelin Belas IV., die sich im Jahre 1261 zu Preßburg mit
Ottokar II. vermält hatte, Kapelle der Königin von Böhmen hieß. Aus der Lage des
Thnrmes und der Kapellen folgt, daß sie alle nur von den Schiffen der Kirche aus
zugänglich waren. Die Wände der letztgenannten Kapelle sind mit schön und reich
gegliederten frühgothischen Arkaden geschmückt, deren künstlerische Vollendung annehmen
läßt, daß ihr Meister mit genügenden Mitteln und unter günstigeren localen Verhältnissen
ein hervorragendes Werk Hütte schaffen können.
Es erscheint zweifellos, daß zu dieser Zeit der Meister der Kapelle der Königin von
Böhmen den Bau geführt hat; doch ging es mit diesem bei dem Mangel an Geldmitteln
langsam vorwärts, so daß der Meister seine Sorgfalt und Kunst mehr den einzelnen
Details zuwandte. So entstanden die beiden Thore an der Nordseite. Das eine ist das
Hauptportal, im ersten Joch neben dem Thurm; das andere, kleinere, öffnet sich im dritten
Joch. Beide sind wohldurchdachte, bis in die kleinsten Einzelheiten correcte, der Kapelle
der Königin von Böhmen gleichgeartete Leistungen. Das breite Hauptportal mit seinem
gedrückten Rundbogen, das in jedem Zollbreit den Charakter der frühgothischen Kunst
trägt, scheint der Meister früher entworfen zu haben, als den Arkadenschmuck in der
Kapelle der Königin von Böhmen. Es öffnet sich nach außen weiter als die Regel ist; seine
Laibung ist durch acht glatte Säulenschäfte und ebensoviele Kehlungen gegliedert; die
Schäfte haben doppelte Sockel mit einfach gegliedertem Gesimse. Der Übergang zu den
Formen der gothischen Kunst zeigt sich charakteristisch darin, daß die Säulen keine Capitäle
haben, sondern der obere, zwischen zwei wagerechte Gliederungen gefaßte Theil der
Schäfte, mit je zwei Blättern geschmückt, blos ein Scheincapitäl darstellt. Tie Gliederung
der Laibung setzt sich an der Wölbung der Portalöffnung fort. Das kleinere Thor ist ein
Product der entwickelteren gothischen Kunst. Seine Öffnung ist ein steilerer Spitzbogen,
dessen Schenkel etwas verlängert sind; seine Laibung verbreitert sich nach auswärts iu der