MAK
Nr. 19/20 
Internationale Sammler- Zeitung 
Seite 233 
Die Autographenschätze des Lessingmuseums. 
Alfred Klaar berichtet in der „Vossischen Zeitung“ über 
das Lessing-Museum, das die Nachkommen des großen 
Dichters in Berlin geschaffen haben. 
Er schreibt: Der Geheime Justizrat Robert Lessing, der 
Großneffe des Dichters, hat im Hause Dorotheenstraße 15 
in Berlin in aller Stille, mit Umsicht und tiefgreifendem Ver 
ständnis, mit Zähigkeit und großherzigem Aufwand bedeu 
tender Mittel dem größten seiner Ahnherren, der zugleich 
der Ahnherr der deutschen Kritik und des bewußten deutschen 
Literaturschaffens ist, ein museales Denkmal errichtet, das, 
durch die Kraft eines einzelnen bewirkt, sich ähnlichen, durch 
große Körperschaften begründeten Denkstätten in Weimar, 
Marbach, Wien usw. würdig an die Seite stellen kann. Kunst 
werke, Bildnisse, kostbare Erstdrucke und vor allem Hand 
schriften der seltensten und wertvollsten Art erzählen hier 
von Lessing und seiner Zeit. 
Auf die Fülle der wiedergegebenen Stücke, von denen die 
meisten biographische oder literaturgeschichtliche Bedeutung 
haben, könnte nur ein Bericht eingehen, der selbst zum Buche 
anschwillt. Einige kurze Proben geben vielleicht ein Bild der 
mannigfaltigen Beziehungen und Charakterbesonderheiten, 
in die hier hineingeleuchtet wird. Goethe erscheint im Brief 
wechsel mit David Friedländer als geschäftiger Sammler, 
dem die Verehrung für seine Persönlichkeit weidlich zustatten 
kommt. Er tauscht eine Antike von Wert gegen eine Anzahl 
Bronzemedaillen ein, die Friedländer, wie er am Rande 
des Briefwechsels mit gutem Llumor vermerkt, mit sehr geringen 
Ausnahmen als neuere, wahrscheinlich in Weimar gefertigte 
Abgüsse erkennt und sämtlich aus seiner Sammlung entfernt, 
um „beiderseitige Ehre zu retten“. 
Ein köstlicher Brief Schillers von Jena am 23. Oktober 
1797, an den Verleger Georg Joachim Göschen gerichtet, 
kann gar nicht genug verbreitet werden — auf die Gefahr hin, 
daß er einem großen Teil unseres jüngeren Literaten 
geschlechtes die Röte ins Gesicht treibt. Schiller, bekanntlich 
kein Freund Bürgers, flicht hier Bürgers „Blümchen Wunder- 
hold“ mit rührender Anmut in seinen ewigen Kranz, wenn er 
an seinen Verleger schreibt: 
„Was den Carlos betrifft, so verspreche ich Ihnen zwar, 
daß Mscrpt. vor Johannis, im nächsten Jahre fertig abzu 
liefern, aber ich läugne nicht, daß es mir unangenehm ist, 
wenn eine Prachtausgabe davon gemacht wird. Zu einem 
solchen Zwecke als Sic damit erreichen wollen, qualifiziert 
sich eine so jugendliche Arbeit nicht; ich verkenne zwar 
nicht das Gute und Schätzbare was daran ist, aber es fehlt 
Fig. 5. 
Goetz, „Italiens Politik der freien Hand“ (Revers). 
ihm die Reife, die ihm nicht mehr gegeben werden kann, 
und indem .Sie es durch eine gewisse Emulation mit Voss 
in Berlin dem Nathan gegenüberstellen, so geben Sie mir 
vor dem Publicum den Schein einer Anmaßung, von der 
ich sehr weit entfernt bin. Gerade die Reife, welche dem 
Carlos fehlt, hat der Nathan und das Gute, was jener vor 
diesem voraus haben mag, hilft ihm bei dieser Concurrenz 
nichts, da man gerade jene Eigenschaft am meisten fordert. 
Fig. 6. 
Goetz, „Der Bittgang am Balkan“ (Avers). 
Überlegen Sie noch einmal meine Zweifel, vielleicht 
findet sich noch ein anderes passendes Mittel, Ihren Wunsch 
wegen eines typographischen Wetteifers zu realisieren — 
und seien Sie versichert, daß ich mit Freuden dazu die 
Hand bieten werde . . ." 
Ein merkwürdiges Gegenstück dazu ist der Brief, den Karl 
Philipp Moritz, der eifrige Kritiker und Verfasser des „Anton 
Reiser“, im Tone des völlig Gleichberechtigten am 6. Juni 1789 
von Berlin aus an Goethe richtet, der damals schon als .das 
ragende Genie der deutschen Literatur anerkannt wurde. 
Er hat eine Zeitlang, sagt er, „nicht schreiben wollen", weil 
er (was den Tasso-Eindruck anlangt) sich selbst nicht recht 
sicher gewesen; „denn wir müssen nur Lebensbriefe aneinander 
schreiben und alles muß von Folgen seyn." Der Inhalt des 
interessanten Schreibens aber mildert beträchtlich den Eindruck 
dieses Selbstgefühls; es gehört zum Schönsten, was über 
Tasso gesagt worden ist, und gilt noch heute in den Worten: 
„Diese Dichtung wird ohngeachtet ihrer Zartheit ins Leben 
eingreifen, weil sie die Ehrfurcht für das Zarte und Schöne, 
welche doch einmal wirklich stattfand, zum Hauptgegenstand 
der Darstellung macht und auf manche Wangen Schamröte 
hervorlocken wird, die dem Gefühl für das, was seinen Wert 
in sich selber hat, noch nicht ganz abgestorben sind ..." 
Prächtig sind einige Briefe Jean Pauls an das Ehepaar 
Friedländer, das sich ihm zuerst anonym genähert und 
dann die Maske gelüftet hat. Der erste der beiden Briefe ist 
ein Trostbrief, in dem Jean Paul die Anschauung vertritt, 
daß in allem Unglück, in aller Krankheit und in der Zahl 
der Sterbenden ein höheres Gesetz waltet. „Die Menschheit", 
schreibt er unter dem 8. Mai 1799 aus Weimar, „geht jetzt 
durch ein rotes Blutmeer — vielleicht mehr als ein Jahrhundert 
lang ■— ihrem gelobten Land entgegen; — und unsere frühere 
Geburt erspart uns Wunden: Wissen Sie, ob das weich 
organisierte Wesen nicht zu sehr wäre von den blutigen Wellen 
erschüttert worden, die schon in unserer Zukunft rauschen ? . ." 
In einem späteren Briefe an das nun dem Namen und den 
Verhältnissen nach bekannte „liebenswürdige Paar“ heißt es: 
„Gerade der entdeckte Unterschied unserer Religion —• wenn 
es noch einer ist —■ gab mir eine Freude mehr und eine noch 
größere Achtung für Sie, weil Sie mehr Vorurteile zu besiegen 
haben, um uns, als wir, um Sie zu kennen und lesen und lieben 
zu lernen . . ." 
In einer anderen Tonart ist die grundsätzliche Ablehnung 
konfessioneller Vorurteile gehalten, die Friedrich August
	        
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