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Die Flächen der höheren Theißufer sind meistens Wohnsitze der Menschen geworden.
Fast jede hat ihr Dorf, aber die Theiß rückt immer drohender an die Häuser heran. Bei
manchem hängt der Gartenzaun schon lose in die Tiefe hinab, ja die Hütte selbst steht
bereits am steilen Rande, wenn sie nicht gar ihre Wasserseite schon der Theiß überlassen hat,
so daß hoch oben nur noch die andere Hälfte stehen geblieben, mit offener Flanke, durch
welche man den bauchigen Lehmofen erblickt mit seiner Ofenbank und seinem Ofenwinkel.
Die Zeit kann nicht fern sein, da auch dieser Rest hinabsinkt und von der Theiß verschlungen
wird, wenn sie nur erst alles Erdreich unter ihm hervorgespiilt hat.
Glücklicherweise sind jene Höhen nicht zahlreich, welche gerade in eine Krümmung
der Theiß hineinspringen und den Anprall ihrer Wellen auszuhalten haben. Die Gemeinden
und Städte haben sich etwas entfernter vom Strom angesiedelt, bisweilen zwei bis drei
Meilen weit, wo die Gefahr, weggewaschen zu werden, nicht so groß erscheinen mochte.
Weiter unten, zwischen den Städten und Gemeinden, die man in großen Abständen trifft,
schlängelt sich die Theiß in einem breiten, stachen Bette hin, einer bescheidenen Wasserader
ähnlich, die man glaubt, wo immer durchwaten zu können; in einem richtigen dürren
Sommer erstaunt man förmlich, daß der durstige Boden das Bißchen Wasser nicht einschlürft.
Wie anders nach schneereichen Wintern. Wenn Berg und Thal klaftertief unter
Schnee liegen, den der Frühling durch warmen Wind und Regen zur Schmelze bringt, da
beginnt dieser harmlose Wasserlauf furchtbar zu werden. All der geschmolzene Schnee, alle
die Wasser und Fluten der Berge brausen plötzlich und gleichzeitig zu Thale; ihre Bahnen
sind noch kürzer und reißender geworden, seitdem die Regulirung die obere Theiß mit
Durchstichen versehen hat. In die Ebene hinausgelangt, füllen sie zusehends das seichte
Bett, welches alsbald randvoll gegossen erscheint mit unstäthigem Schlammgewässer. Und
immerfort wächst die Flut, immer höher steigt sie, immer weiter hinaus dringt sie in den
Überschwemmungsbezirk vor, erst an der Sohle der Schutzdämme kommt sie zum Stillstand.
Wirklich zum Stillstand?
Nein. Immer noch steigt und schwillt die Flut. An der Sohle des Dammes stehen
die Pegel, die das Wasser messen und dessen Stand über dem Normalen, über dem Null
punkt anzeigen. Mag das Wasser immerhin noch einen Meter oder zwei von der Scala
verschlingen, das wird den Dammschutz noch nicht gefährden. Im Gegentheil, ein „Fußbad"
thut den Dämmen eher noch wohl; desto fester werden sie sein, wenn sie nach der Durch
feuchtung sich besser gesetzt haben.
Doch die zürnende Theiß sucht das Alföld nicht immer mit Gefälligkeiten heim. Als
sie noch freie Herrin des ganzen Thales war und sich darin nach Herzenslust strecken und
dehnen durste, ließ sie befruchtenden Schlamm hinter sich und kehrte schwerbeladen mit
unerschöpflicher Fischbrut in ihr Bett zurück. Jetzt, da Menschenhand ihr den Kappzanm