durch die Pfeiler wunderlicher Deduktionen, mit dem reichen Barock-
ornament der Phrase geputzt, während sich der Gipfel im Nebel der Theorien
des Guten, Wahren und Schönen verliert-, noch der subjektive Kritizismus,
der der Kunst bestimmte Grenzen zieht, sich nur innerhalb dieser Grenzen
bewegt und der Kunst nicht erlaubt, sich weiter und weiter . . . ad infinitum
zu entwickeln.
Ein subjektiver Kritiker ist in Beziehung auf die Kunst dasselbe, was
der Poet oder der Künstler in Beziehung auf das Leben und auf die Natur
ist. Das Subjekt der Forschung ist ein anderes, aber die Mittel und das
Ergebnis bleiben gleich. Besitzt der Kritiker eine so reiche Seele, dass
seine Offenbarungen den Eindruck einer unerschöpflichen Quelle machen,
ist er ein tiefer Denker, dessen Fähigkeit, Ideen hervorzubringen, bodenlos ist
wie der Ozean; ist er ein im höchsten Grade rechtschaffener Mann; findet
sich in ihm die Einfachheit und Offenheit eines Kindes, ferner grosses
Wissen, Erfahrung und guter Geschmack vereint, so mag er schreiben.
Wenn er nur keine wissenschaftliche Theorie der Kunst hervorbringen will
y was absolut unmöglich ist - so kann er Begeisterung für die Kunst
wachrufen. Dann wird seine Arbeit zur guten Literatur gehören, man kann
sagen, ein Kunstwerk sein.
Ein solcher Kritizismus hat raison d'etre. Ein andrer besteht in der
Anhäufung von Fakten und von Anekdoten aus dem Leben der Künstler
oder in der sorgfältigen Katalogisierung der Kunstwerke.
Ich fühle mich nicht so stark oder ich bin nicht verblendet genug, mich
selbst in die erste Kategorie der Kritiker zu stellen, die wahrlich rarae aves
sind. Ich beabsichtige in diesem Artikel der bescheidenen Aufgabe der
zweiten Gattung von Schriftstellern nachzukommen und zu berichten, was
ich von einem talentvollen französischen Künstlerweiss,I-Ierrn Bonnencontre.
Meinem Vorhaben entsprechend, will ich weder Vorschriften für die
dekorative Kunst geben und weitläufig erörtern, dass es ihre Mission sei,
den Zeitgenossen eine Umrahmung ihres intimen Lebens zu verschaffen,
das notwendige Milieu für ihre Ideen, Wünsche und Träume zu bilden,
noch auch will ich Bonnencontre mit Botticelli vergleichen, weil er wie der
italienische Meister reizende Mädchen in wallenden Gewändern malt, im
Hintergrunde frische Landschaften, umgeben von süssduftenden Blumen;
noch weniger mit Burne Jones, weil Bonnencontre präraffaelitische
Anmassung, Armseligkeit, Naivetät, Ziererei und linkisches Wesen von
sich weist.
Als ich auf der Ausstellung der Societe nationale des Beaux-Arts zum
ersten Male eines der Gemälde Bonnencontres sah, wirkte die Anmut
seiner Frauengestalten auf mich, deren Erscheinung eine Emanation der
Natur zu sein schien, wie eine köstliche Feerie, die alle Frische des Laubwerks
versinnlicht, alle I-Iimmelsklarheit, die Blumendüfte, die Leichtigkeit der
Luft, die Schmiegsamkeit der Pflanzen, die der Künstler so eigenartig in
seinen grossen dekorativen Paneelen künstlerisch zu verwerten wusste.