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Volltext: Monatszeitschrift VII (1904 / Heft 5)

durch die Pfeiler wunderlicher Deduktionen, mit dem reichen Barock- 
ornament der Phrase geputzt, während sich der Gipfel im Nebel der Theorien 
des Guten, Wahren und Schönen verliert-, noch der subjektive Kritizismus, 
der der Kunst bestimmte Grenzen zieht, sich nur innerhalb dieser Grenzen 
bewegt und der Kunst nicht erlaubt, sich weiter und weiter . . . ad infinitum 
zu entwickeln. 
Ein subjektiver Kritiker ist in Beziehung auf die Kunst dasselbe, was 
der Poet oder der Künstler in Beziehung auf das Leben und auf die Natur 
ist. Das Subjekt der Forschung ist ein anderes, aber die Mittel und das 
Ergebnis bleiben gleich. Besitzt der Kritiker eine so reiche Seele, dass 
seine Offenbarungen den Eindruck einer unerschöpflichen Quelle machen, 
ist er ein tiefer Denker, dessen Fähigkeit, Ideen hervorzubringen, bodenlos ist 
wie der Ozean; ist er ein im höchsten Grade rechtschaffener Mann; findet 
sich in ihm die Einfachheit und Offenheit eines Kindes, ferner grosses 
Wissen, Erfahrung und guter Geschmack vereint, so mag er schreiben. 
Wenn er nur keine wissenschaftliche Theorie der Kunst hervorbringen will 
y was absolut unmöglich ist - so kann er Begeisterung für die Kunst 
wachrufen. Dann wird seine Arbeit zur guten Literatur gehören, man kann 
sagen, ein Kunstwerk sein. 
Ein solcher Kritizismus hat raison d'etre. Ein andrer besteht in der 
Anhäufung von Fakten und von Anekdoten aus dem Leben der Künstler 
oder in der sorgfältigen Katalogisierung der Kunstwerke. 
Ich fühle mich nicht so stark oder ich bin nicht verblendet genug, mich 
selbst in die erste Kategorie der Kritiker zu stellen, die wahrlich rarae aves 
sind. Ich beabsichtige in diesem Artikel der bescheidenen Aufgabe der 
zweiten Gattung von Schriftstellern nachzukommen und zu berichten, was 
ich von einem talentvollen französischen Künstlerweiss,I-Ierrn Bonnencontre. 
Meinem Vorhaben entsprechend, will ich weder Vorschriften für die 
dekorative Kunst geben und weitläufig erörtern, dass es ihre Mission sei, 
den Zeitgenossen eine Umrahmung ihres intimen Lebens zu verschaffen, 
das notwendige Milieu für ihre Ideen, Wünsche und Träume zu bilden, 
noch auch will ich Bonnencontre mit Botticelli vergleichen, weil er wie der 
italienische Meister reizende Mädchen in wallenden Gewändern malt, im 
Hintergrunde frische Landschaften, umgeben von süssduftenden Blumen; 
noch weniger mit Burne Jones, weil Bonnencontre präraffaelitische 
Anmassung, Armseligkeit, Naivetät, Ziererei und linkisches Wesen von 
sich weist. 
Als ich auf der Ausstellung der Societe nationale des Beaux-Arts zum 
ersten Male eines der Gemälde Bonnencontres sah, wirkte die Anmut 
seiner Frauengestalten auf mich, deren Erscheinung eine Emanation der 
Natur zu sein schien, wie eine köstliche Feerie, die alle Frische des Laubwerks 
versinnlicht, alle I-Iimmelsklarheit, die Blumendüfte, die Leichtigkeit der 
Luft, die Schmiegsamkeit der Pflanzen, die der Künstler so eigenartig in 
seinen grossen dekorativen Paneelen künstlerisch zu verwerten wusste.
	        
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