Teile eines Frühstückserviccs mit bunter Malerei und Vergoldung (Katalog Nr. 444)
überstrahlen. Sein Barock hat sich Wien geschaffen, sein Rokoko empfing
es aus zweiter Hand. Es hat keinem Pöppelmann einen Zwinger, keinem
Frangois Cuvillies ein Nymphenburg, keinem Knobelsdorf ein Sanssouci zu
bauen aufgegeben. Dieser Zustand auf dem Gebiete der hohen Kunst musste
sich auch im Kunstgewerbe wiederspiegeln und namentlich im Porzellan,
von dem man behauptet, es habe nur im Rokoko seinen ureigensten Stil
errungen. Im Wiener Porzellan bedeutet das Aufgeben der Barocke, künstle-
risch genommen, zunächst keinen Fortschritt. Dennoch ist es interessant, die
Wandlungen zu verfolgen, die die fremden Anregungen unter dem Eintiusse
des Wiener Geschmackes erfahren haben. Wenn Meissen in dieser Zeit
nachweisbar als Vorbild dient, so ist es doch nicht zu leugnen, dass Wien
nicht nur jedem Fortissimo krauser Rokokophantasie mit Absicht und
gutem Geschmack ausweicht, sondern prinzipiell alle Formen und De-
korationsweisen zu vereinfachen sucht, die es vom Auslande übernimmt. So
wie eine alte Tradition der guten Wiener Gesellschaft in der Tracht alles
„Auffallende" vermeidet, so soll auch bei Tisch und Tafel stets eine vor-
nehme Mässigung herrschen.
Die manchmal allzu üppigen Formen des deutschen Rokoko variiert
das Wiener Porzellan gleichsam in bescheidenerer Instrumentierung. Nicht