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Volltext: Monatszeitschrift VII (1904 / Heft 6)

sowohl wie auf das Publikum eine in hohem Grade erwünschte Wirkung aus. Der 
Künstler wird nicht selten sicherer und zielbewusster in seinem Schaffen, das Publikum, 
durch Tageskritiken und Fachjournale bereits einigermassen ermüdet, ruht sozusagen aus 
bei der Lekture derartiger Monographien und gewöhnt sich daran, bei gegebener 
Gelegenheit in ihnen immer wieder Nachschau zu halten. Sie leiden nicht unter der l-Iast 
des Tages, verschwinden nicht unter der Fülle kunstkritischer Abhandlungen, die unsjeder 
Monat auf den Lesetisch wirft. Allerdings darf sich in solchen Publikationen weder 
selbstgeE-illiger Phrasenschwall, noch übertriebenes Lob allzu breit machen, guter 
Geschmack, lebendige Darstellung, prägnante Kürze sind Haupterfordernisse. Guthmanns 
verständig ruhige Art, die Dinge zu betrachten, ist den Gefahren einer Entgleisung nach 
den angedeuteten Richtungen nicht ausgesetzt. Ohne Umschweife mit den Tatsachen 
beginnend, führt uns der Verfasser sofort in das allmähliche Wachsen und Werden 
Otto Greiners ein. Eine naheliegende Polemik mit den Widersachern des Künstlers 
unterdrückend, sucht er ihn durch unmittelbare Betrachtung seiner Werke zu erklären. 
Indem er sie in chronologischer Folge vornimmt, wird die Schilderung von selbst zur 
Führerin auf dem Wege der Entwicklung Otto Greiners. Mit dem Feingefühl einer geistig 
verwandten Natur enthüllt er die psychologischen Vorgänge, die den einzelnen 
Schöpfungen und ihrem so verschiedenartigen Wesen zu Grunde liegen. Die Schilderung 
wird stellenweise spannend wie eine Verkündigung lange verborgener Geheimnisse, 
stellenweise wieder erhebt sie sich zu Betrachtungen von geradezu poetischer Schönheit. 
Vor allem kommt es dem Verfasser darauf an, Greiners Verhältnis zu Klinger in den 
richtigen Gesichtswinkel einzustellen. Den Durchgang Greiners durch Klingers Kunstweise 
als ein Entwicklungsmoment zu charakterisieren, dem eine vorangegangene und nach- 
folgende Selbständigkeit und Unabhängigkeit die Berechtigung entzieht Greiner einfach 
mit dem Worte „Klinger-Schüler" abzutun. Wie Guthmann nachweist, war Greiner bereits 
vor seinem Eintritt in Klingers Bannkreis ein hochbegabter und kraftvoller Künstler, was 
namentlich sein „Schiessdiplom" beweist, das ihn als scharfen Beobachter der Natur und 
alles Unmittelbaren in ihren Äusserungen charakterisiert. Es wird im folgenden nicht 
geleugnet, dass Greiner nahe daran war, in abgöttischer Verehrung für Klinger seine 
künstlerische Selbständigkeit zu verlieren, wie es zum Beispiel das Ex libris für Wilh. 
Weigand nur allzu deutlich erkennen lässt. Dann aber wird gezeigt, wie Greiner sich 
zunächst durch eifriges Aktstudium wieder ganz der Natur in die Arme warf, wie er 
überhaupt in einer Liebe zu allem Geschaffenen entbrannt, die es als „mehr als einen 
Scherz" erscheinen lässt, „wenn Greiner einen Olivenbaum am Gardasee, den er oft und 
mit unendlichem Gefühl für sein Wesen gezeichnet hat, seine „Braut" nennt". - Das 
weitere psychologische Moment, das Greiner allmählich zu einem vollkommen selb- 
ständigen und eigenartigen Künstler machen musste, findet Guthmann in dessen starkem 
dekorativen Talent, wodurch er sich ebensosehr von Klinger entfernte, wie durch seinen 
hoch entwickelten Sinn für das Porträt, das bei Klinger kaum eine Rolle spielt. - 
Eingehend wird Greiners Zyklus „Vom Weibe" besprochen, der neben seinem grossen 
Gemälde „Odysseus und die Sirenen" den Höhepunkt seines bisherigen Schaffens bildet, 
und indem der Verfasser einen Strich unter die bisherige Lebensrechnung des jetzt 
Dreiunddreissigjährigen zieht, stellt er das Autodidaktentum Greiners, worauf er am 
Beginne der Monographie mit Nachdruck hingewiesen, von neuem in den Vordergrund 
und prophezeit daraus noch so manche Überraschungen in Greiners künftigem Kunst- 
schaffen. Folnesics 
EIN BESUCH KAISER JOSEPHS II. IN DER WIENER POR- 
ZELLANFABRIK. Die alten Fabriksakten im Finanzministerium enthalten 
einen undatierten Bericht von der Hand des Direktors v. Wolf an die vorgesetzte Behörde, 
die Hofbankodeputation, über einen unvermuteten Besuch des Kaisers, der recht amusant 
und lebendig wirkt. Wolf war von 1758-1784 Direktor. Der Besuch des Kaisers dürfte
	        
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