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Contents: Neubauten und Concurrenzen in Österreich und Ungarn, 1. Jahrgang 1895

Nr. 2. 
Neubauten und Concurrenzen in Oesterreich und Ungarn. 
Seite 21. 
von Gebäuden mit den wichtigsten Einzelheiten des Arbeits 
vorganges beschreiben. 
Eine Gruppe von vier Häusern wurde, um der Hoch 
bahn Platz zu machen, von Lafling Street in Chicago nach 
Van Buren Street verschoben. Hierzulande hätte man 
die Häusergruppe einfach demolirt; bei den hohen Arbeits 
kosten in Chicago und der allerdings leichteren Bauart 
dieser Häuser stellte es sich als ökonomisch heraus, sie mit 
Benutzung eines entsprechenden unbebauten nahe liegenden 
Grundes dorthin zu verschieben und auf neue Fundamente 
zu stellen. Die zweistöckigen Gebäude wurden zuerst um 
60;« nach Osten geschoben, dann so gedreht, dass ihre 
Front nach Norden sieht und weiter um 45;« nordwärts 
geschoben. (Fig. 1.) Die Dimensionen der aus Ziegeln her- 
Fig. 1. 
Va. ri jBitrcn St 
gestellten Gebäudegruppe waren 29 m Länge bei 26;« 
Breite, die Front mit Granit verkleidet. 24 Mann waren 
durch 10 Wochen damit beschäftigt, die Gebäude von den 
alten auf die neuen Fundamente zu überstellen. 800 Winden 
waren nothwendig, um die Gebäude zu heben, und 
600 Rollen, um sie fortzubewegen. 
Der Vorgang bei der Bewegung und Unterstützung 
der Gebäude war* der folgende: Ein Graben von VZm 
Breite und 0'6m Tiefe wurde längs aller Aussenmauern 
ausgehoben, so dass die nothwendige Gerüstung darin 
Platz fand (Fig. 2). 
Fig. 2. 
Auf beiden Seiten jeder Mauer wurden nun Gerüste 
aus Bauholz aufgestellt und Winden so nahe aneinander wie 
nur möglich auf dieselben gestellt. Auf die Winden wurden 
Kapphölzer parallel zu der Längsrichtung der Mauern 
gelegt, wobei die Oberkanten der auf der Innen- und Aussen- 
seite verlegten Kapphölzer sorgfältig in ein Niveau gebracht 
wurden. Dann wurden Löcher durch die Mauern in der 
Höhe der Oberkante der Kapphölzer gebrochen und 3 nt 
lange, 30 cm im Quadrat starke Kanthölzer — Nadeln — 
durchgestekt, deren Enden auf den Kapphölzern ruhten, 
und in deren Mitte die Mauer aufsass. Die Löcher wurden 
im Mittel in Entfernungen von 60 cm von einander her 
gestellt. Unter den Gebäuden wurden in Intervallen von 
rund 3‘5;« lange Balken durchgeschoben, welche alle 
Kapphölzer untereinander verbanden. 
Nachdem die Nadeln und das andere Holzwerk ange 
bracht waren, wurde Alles so verkeilt, dass die Oeffnungen 
zwischen den Nadeln und den darüber befindlichen Mauern 
sorgfältig ausgefüllt waren. - 
Die Winden waren unter den Arbeitern derart ver 
theilt, dass jeder Mann im Mittel 10 Winden zu bedienen 
hatte; das Signal, sie zu drehen, wurde von einem Vor 
arbeiter mittelst einer Pfeife gegeben und war es dessen 
Geschäft, darauf zu sehen, dass jeder Mann bei jedem Pfiff 
seine Winden einmal drehe. Die Winden wurden auf diese 
Art hinaufgeschraubt, bis die Mauern sich von ihren Fun 
damenten zu trennen begannen; dann wurden alle Ge 
rüstungen nachgesehen und derartig ergänzt, dass, bevor 
wieder höhergeschraubt wurde, das genaue Niveau her 
gestellt war. Auf diese Weise wurden die Gebäude um 
jene 106r;« gehoben, welche nothwendig waren, um die 
Rollen anbringen zu können (Fig. 3). 
Fig. 3. 
Nach dem Heben des Gebäudes. 
15 zu 15r;« starke Plölzer wurden der Quere und 
10 zu 12«« starke Walnussbohlen der Länge cjer Mauern 
nach auf die Gerüste gelegt, um den Rollen, welche darauf 
zu liegen kamen, als Bahn zu dienen. Die Rollen waren 
aus hartem Ahorn und hatten 20«« im Durchmesser bei 
einer Länge von l'5m. Zwischen die Rollen und die 
Nadeln wurden Sattelhölzer aus Eichen gelegt, alle 
Zwischenräume sorgfältig verkeilt und die Winden nieder 
geschraubt und entfernt. 
Jetzt waren die Gebäude zur Verschiebung fertig. 
Mehr als 2 m lange Winden wurden verwendet, um die 
Gebäude 60 m weit bis zur Drehplatte zu schieben. Diese, 
zum Drehen der Gebäude in die neue Front bestimmt, 
war ein horizontal abgeglichener Körper aus Balkenwerk, 
40«; im Gevierte gross und T2;« hoch, aus Kanthölzern 
von 15«« im Geviert hergestellt. Der Boden unter der 
Drehplatte war sorgfältig geebnet, besandet und dann 
mit eng aneinander gestossenen Brettern bedeckt worden. 
Das Balkenwerk wurde auf dieser Fundirung hergestellt 
und wieder mittelst eines Nivellirinstrumentes geebnet 
und horizontal gemacht. Auf dieses Balkenwerk kam dann 
eine Lage von Walnussbohlen, welche eine ebene und 
horizontale Fläche von 40;« im Geviert bildeten. 
Die Gebäude wurden auf diese Fläche geschoben 
und die Rollen zum Mittelpunkt der Gebäude radial ge 
stellt. Dort war eine Drehachse angebracht, um welche 
nun das ganze Bauwerk gedreht wurde. 
Fig. 4 zeigt den Grundriss des Balkenwerkes, welches- 
die Gebäude trug. Die vollen Linien bedeuten Balken, 
die gestrichelten die Umfangslinie der Gebäude, der Stern 
die Drehachse. Wie erwähnt, wurde das Bauwerk auf der 
Drehplatte in die richtige Lage gedreht. Dann wurden 
die Rollen wieder gerade gestellt und die Gebäude nach 
Norden weiter und zu neuen vorbereiteten Gerüsten ge 
schoben, gleich denen, von welchen aus die Gebäude 
gehoben wurden. Winden wurden wieder eingesetzt und 
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