Nr. 2.
Neubauten und Concurrenzen in Oesterreich und Ungarn.
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von Gebäuden mit den wichtigsten Einzelheiten des Arbeits
vorganges beschreiben.
Eine Gruppe von vier Häusern wurde, um der Hoch
bahn Platz zu machen, von Lafling Street in Chicago nach
Van Buren Street verschoben. Hierzulande hätte man
die Häusergruppe einfach demolirt; bei den hohen Arbeits
kosten in Chicago und der allerdings leichteren Bauart
dieser Häuser stellte es sich als ökonomisch heraus, sie mit
Benutzung eines entsprechenden unbebauten nahe liegenden
Grundes dorthin zu verschieben und auf neue Fundamente
zu stellen. Die zweistöckigen Gebäude wurden zuerst um
60;« nach Osten geschoben, dann so gedreht, dass ihre
Front nach Norden sieht und weiter um 45;« nordwärts
geschoben. (Fig. 1.) Die Dimensionen der aus Ziegeln her-
Fig. 1.
Va. ri jBitrcn St
gestellten Gebäudegruppe waren 29 m Länge bei 26;«
Breite, die Front mit Granit verkleidet. 24 Mann waren
durch 10 Wochen damit beschäftigt, die Gebäude von den
alten auf die neuen Fundamente zu überstellen. 800 Winden
waren nothwendig, um die Gebäude zu heben, und
600 Rollen, um sie fortzubewegen.
Der Vorgang bei der Bewegung und Unterstützung
der Gebäude war* der folgende: Ein Graben von VZm
Breite und 0'6m Tiefe wurde längs aller Aussenmauern
ausgehoben, so dass die nothwendige Gerüstung darin
Platz fand (Fig. 2).
Fig. 2.
Auf beiden Seiten jeder Mauer wurden nun Gerüste
aus Bauholz aufgestellt und Winden so nahe aneinander wie
nur möglich auf dieselben gestellt. Auf die Winden wurden
Kapphölzer parallel zu der Längsrichtung der Mauern
gelegt, wobei die Oberkanten der auf der Innen- und Aussen-
seite verlegten Kapphölzer sorgfältig in ein Niveau gebracht
wurden. Dann wurden Löcher durch die Mauern in der
Höhe der Oberkante der Kapphölzer gebrochen und 3 nt
lange, 30 cm im Quadrat starke Kanthölzer — Nadeln —
durchgestekt, deren Enden auf den Kapphölzern ruhten,
und in deren Mitte die Mauer aufsass. Die Löcher wurden
im Mittel in Entfernungen von 60 cm von einander her
gestellt. Unter den Gebäuden wurden in Intervallen von
rund 3‘5;« lange Balken durchgeschoben, welche alle
Kapphölzer untereinander verbanden.
Nachdem die Nadeln und das andere Holzwerk ange
bracht waren, wurde Alles so verkeilt, dass die Oeffnungen
zwischen den Nadeln und den darüber befindlichen Mauern
sorgfältig ausgefüllt waren. -
Die Winden waren unter den Arbeitern derart ver
theilt, dass jeder Mann im Mittel 10 Winden zu bedienen
hatte; das Signal, sie zu drehen, wurde von einem Vor
arbeiter mittelst einer Pfeife gegeben und war es dessen
Geschäft, darauf zu sehen, dass jeder Mann bei jedem Pfiff
seine Winden einmal drehe. Die Winden wurden auf diese
Art hinaufgeschraubt, bis die Mauern sich von ihren Fun
damenten zu trennen begannen; dann wurden alle Ge
rüstungen nachgesehen und derartig ergänzt, dass, bevor
wieder höhergeschraubt wurde, das genaue Niveau her
gestellt war. Auf diese Weise wurden die Gebäude um
jene 106r;« gehoben, welche nothwendig waren, um die
Rollen anbringen zu können (Fig. 3).
Fig. 3.
Nach dem Heben des Gebäudes.
15 zu 15r;« starke Plölzer wurden der Quere und
10 zu 12«« starke Walnussbohlen der Länge cjer Mauern
nach auf die Gerüste gelegt, um den Rollen, welche darauf
zu liegen kamen, als Bahn zu dienen. Die Rollen waren
aus hartem Ahorn und hatten 20«« im Durchmesser bei
einer Länge von l'5m. Zwischen die Rollen und die
Nadeln wurden Sattelhölzer aus Eichen gelegt, alle
Zwischenräume sorgfältig verkeilt und die Winden nieder
geschraubt und entfernt.
Jetzt waren die Gebäude zur Verschiebung fertig.
Mehr als 2 m lange Winden wurden verwendet, um die
Gebäude 60 m weit bis zur Drehplatte zu schieben. Diese,
zum Drehen der Gebäude in die neue Front bestimmt,
war ein horizontal abgeglichener Körper aus Balkenwerk,
40«; im Gevierte gross und T2;« hoch, aus Kanthölzern
von 15«« im Geviert hergestellt. Der Boden unter der
Drehplatte war sorgfältig geebnet, besandet und dann
mit eng aneinander gestossenen Brettern bedeckt worden.
Das Balkenwerk wurde auf dieser Fundirung hergestellt
und wieder mittelst eines Nivellirinstrumentes geebnet
und horizontal gemacht. Auf dieses Balkenwerk kam dann
eine Lage von Walnussbohlen, welche eine ebene und
horizontale Fläche von 40;« im Geviert bildeten.
Die Gebäude wurden auf diese Fläche geschoben
und die Rollen zum Mittelpunkt der Gebäude radial ge
stellt. Dort war eine Drehachse angebracht, um welche
nun das ganze Bauwerk gedreht wurde.
Fig. 4 zeigt den Grundriss des Balkenwerkes, welches-
die Gebäude trug. Die vollen Linien bedeuten Balken,
die gestrichelten die Umfangslinie der Gebäude, der Stern
die Drehachse. Wie erwähnt, wurde das Bauwerk auf der
Drehplatte in die richtige Lage gedreht. Dann wurden
die Rollen wieder gerade gestellt und die Gebäude nach
Norden weiter und zu neuen vorbereiteten Gerüsten ge
schoben, gleich denen, von welchen aus die Gebäude
gehoben wurden. Winden wurden wieder eingesetzt und
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