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Fensterläden aus Whistlers
Pfauenzimmer
Über dem Wandkamin hing Whistlers
farbenprächtiges Meisterwerk „Die Prin-
zessin des Porzellanlandes", eine lebens-
grosse Frauenl-igur in japanischem Kostüm.
Whistler, dessen empfindliches Auge von
dem geringsten Missklang peinlich berührt
wurde, fand das spanische Leder etwas zu
dunkel im Ton und schlug dem Eigentümer
des Hauses vor, ihn einige Farbenflecke auf-
legen zu lassen, um das Bild und die Um-
gebung in Einklang zu bringen. Leyland
willigte ein und Whistler fing an, hie und
da das Leder mit Antwerpnerblau und Gold
aufzulichten. Mehr und mehr vertiefte er sich
in diese Arbeit und schlug schliesslich
seinem Mäcenas vor, ihm dasFeld zu räumen
und sich auf einen Monat nach Speke Hall,
seinem Landgut, zu begeben, damit Whistler
auf keine Weise in seiner Arbeit gestört
werde. Auch sollte Leyland nicht zurück-
kehren, als bis die Veränderungen voll-
ständig durchgeführt wären.
Leyland willigte ein und Whistler
machte sich mit der Hilfe eines Assistenten
an dieArbeit. Grosse Kübel voll Antwerpner-
blau und ganze Goldblattbücher wurden in
den Raum geschafft und das ganze Zimmer
überpinselt - Wände, Holzgestelle, Decke,
Fensterläden und Türen. Die Beiden arbei-
teten mit wahrer Wut und manchmal schien
es Gold zu regnen. Ihr Haar ward vergoldet,
ihre Gesichter und ihre Lungen. Sie er-
stickten fast, sie niesten und konnten kaum
weiter arbeiten. Erst bedeckte Whistler die
Wände mit blauer Farbe, bis von dem
Leder nichts zu sehen war. Dann trug er Gold auf, dann wieder Blau und
so fort, bis zum Schlusse das ganze Zimmer ein herrlich schöner Schimmer
von Blau und Gold war. Goldene Pfauen auf blauem Grunde und blaue
Pfauen auf goldenem Grunde und überall Pfauenfedem und Pfauenaugen,
an der Decke, an den Fensterläden, ja, an den dünnen Holzstäben der
Fächer! Pfauenaugen und Pfauenfedern oder auch nur runde Goldtupfen
auf blauem Grunde, die doch wieder wie Pfauenaugen wirken. Ein Plan
von einer Kühnheit und berückenden Schönheit, wie er in der modernen
Kunst nicht seinesgleichen findet.