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KLEINE NACHRICHTEN S0
INIATUREN VON HANS I-IQLBEIN, Der amerikanische Millionär und
Kunstfreund Mr. Pierpont Morgan hat vor kurzem seiner herrlichen Sammlung,
deren wichtigste Schätze bereits in „Kunst und Kunsthandwerk" besprochen wurden, eine
Miniatur von höchster Seltenheit zugefügt. Es ist
angeblich ein Porträt der Frances Howard, Herzogin
von Norfolk, von Hans Holbein. Das entzückend zart
in Gouache ausgeführte Bildnis ward Mitte Mai dieses
jahres von dem Kunsthändler Duveen bei Christie für
zirka 69.000 Kronen erstanden - eine nicht unbe-
trächtliche Summe für ein Gemälde von fünfZentimeter
Durchmesser! Ob die Persönlichkeit des Modells in
dem Verkaufskatalog richtig beschrieben war, wollen
wir hingestellt sein lassen, da gute historische Gründe
vorliegen, dieselbe zu bezweifeln. Dagegen ist es
absolut sicher, dass die Miniatur wirklich ein Werk
I-Iolbeins ist, der bekanntlich Hofmaler König Heinrichs
Hans Holbeiny Emmas Howud, Her VIII. von England war. Die einzigen wirklich authenti-
mggn von Nogolk schen Miniaturen des Meisters in England befinden sich
im Besitze des Königs in Windsor Castle, des Herzogs
von Norfolk und des Herzogs von Buccleuch. Letzterer ist der glückliche Besitzer von
nicht weniger als vier dieser Meisterwerke der Kleinkunst, obgleich eines davon, ein
Bildnis König Heinrichs VIII. aus guten Gründen angezweifelt wird, da der König zur Zeit
als Holbein an seinen Hof berufen wurde, bereits einen Bart trug, während diese Miniatur
ihn bartlos darstellt.
Das runde Bildnis des lebenslustigen Königs ward von Mr. Mackay, einem Mitglied
der Firma Colnaghi ä Co., entdeckt. Es ist etwas verblasst und zeigt den König in einem
schön in Gold und Weiss gestickten Kostüm. Eine weitere Miniatur stellt Holbein selbst
dar, mit schwarzer Kappe und mit einem Bleistift in der rechten Hand. Auf dem Bildnis ist
die Inschrift H' H: AN 1543 Diese Miniatur kam aus der berühmten Sammlung des
[Etatis suae 45.
Horace Walpole, in Strawberry Hill.
Schliesslich besitzt der Herzog von Buccleuch noch ein Bildnis des Königs Eduard VI.
als Knabe, herrlich gezeichnet und noch heute glänzend in Farbe. Der Hintergrund ist
blau. Alle diese Miniaturen sind in Gouache gemalt, doch scheint es, dass die Fleischtöne
in transparenter Wasserfarbe auf einen soliden weissen Grund aufgetragen sind.
Das Porträt im Besitze Mr. Pierpont Morgans ist ganz
ähnlich in der Behandlung. Der Hintergrund ist gleichfalls blau
und ist leider an einer Stelle, über der rechten Schulter, ab-
gebröckelt. Sonst ist das Bildnis tadellos erhalten. Es ist
jedenfalls die erste MiniaturI-Iolbeins, die einer amerikanischen
Sammlung einverleibt wurde. P. G. K.
ANDBUCH DER KUNSTGESCI-IICHTEVON
ANTON SPRINGER." Springers Handbuch, allen
Freunden der Kunst seit langem wert und unentbehrlich, hat
durch die neuen Auflagen des I. und III. Bandes der beiden Hans Honmm Selbstbildnis
hervorragenden, dem Werke von früher her eng verbundenen
Fachmänner eine weitere Bereicherung und Vervollkommnung erfahren. Michaelis, dessen
"k I. Das Altertum, siebente Auflage, völlig uxngearbeiret von Adolf Michaelis. III. Die Renaissance in
Italien, siebente Auflage, völlig umgearbzitet von Rudolf Philippi. Leipzig, Seemann 1904.