EMPIREAUSSTELLUNG IN DRESDEN 5e-
VON PAUL SCHUMANN so
ER grossen Kunstausstellung zu Dresden ist in diesem
Jahre als besondere Anziehung ausser einer
retrospektiven Abteilung, die in 350 Bildern
eine Übersicht über die Malerei des XIX. Jahr-
hunderts gibt, eine kleine Empireausstellung
beigesellt, die in drei Räumen eine stattliche
Anzahl Gegenstände fürstlichen und bürger-
lichen Hausrates und Schmuckes der Zeit von
etwa 1780-4820 umfasst. Beigesteuert haben
dazu die Mitglieder der wettinischen Fürsten-
familien in Sachsen und Thüringen, die Museen
zu Dresden, Weimar, Gotha und Reichenberg i. B. und eine Anzahl Kunst-
freunde in Sachsen, Berlin und Gotha.
Es ist eine eigene Aufgabe, über Empirekunst von Dresden aus gerade
nach Wien zu berichten. Denn, wie jeder kunsthistorisch Geschulte weiss,
verdanken wir unsere kunstgeschichtlichen Kenntnisse über die Empirezeit
und -kunst - von den zeitgenössischen Memoirenwerken abgesehen -
ausschliesslich den trefflichen Wiener Kunstgelehrten. An erster Stelle steht
das kostbare, wissenschaftlich und künstlerisch so wertvolle Werk über den
Wiener Kongress, das Eduard Leisching im Anschluss an die WienerKongress-
ausstellung 1896 unter Mitwirkung der hervorragendsten Wiener Kunst-
historiker (im Verlag von Artaria) herausgegeben hat, und dazu ist in diesem
Jahre das vorzügliche Tafelwerk Möbel der Empire- und Biedermeierzeit
(Schrolls Verlag) von Josef Folnesics gekommen, das unsere Kenntnis
der interessanten Zeit nicht minder stark erweitert hat.
Eine Empireausstellung ist zeitgemäss. Noch Gottfried Semper schrieb
in seinem Werke über den Stil: „Dem Louis XVL-Stil folgte fast ohne
Übergang der abscheulichste aller Geschmäcker, der antike Formalismus der
Kaiserzeit, über den nichts hinzugefügt zu werden braucht". Wer wollte
heute noch dieses schlechthin wegwerfende Urteil unterschreiben? Semper
gehörte der Generation an, die unmittelbar der Empiregeneration folgte, und
wir wissen jetzt zur Genüge, dass jeder neue Stil, der sich durchsetzt,
ungerecht ist gegen den unmittelbar vorhergehenden. Wenigstens ein
Menschenalter muss vergehen, bis diese Missachtung überwunden ist und
einer sachlichen Würdigung Platz macht. Für den Empirestil ist diese Zeit
da. Bücher, die sich mit Napoleon und seiner Zeit beschäftigen, sind im
letzten Jahrzehnt zu Dutzenden erschienen. Schauspiel und Operette zeigen,
dass das Napoleonische Zeitalter auch bühnenfähig geworden ist und die
Zuschauer recht wohl zu fesseln vermag. Schaut man in die Läden der
Antiquare, so sieht man, dass hier auch Kunst- und Kunstgewerbe der
Empirezeit sich der Gunst der Zeit zu erfreuen haben. Für gute Stücke werden
R2