war. So wurde nicht nur für das opulente Erfordernis des adeligen Land-
sitzes sondern für den bürgerlichen Mittelstand, das grosstädtische und das
kleine Wohnhaus der Umgebung und für das Arbeiterhaus die künstlerische
Form gefunden.
Wenn der fruchtbarste und umfangreichste Geist der Bewegung,
N. Shaw, heute als bejahrter Mann mit Anderen klassizistischen Einflüssen
folgt, so ist diese Tatsache als ein Rückschritt zu empfinden. Sie vollzieht
sich allerdings derzeit in England mehr auf dem Gebiete des öffentlichen
Bauwesens und konnte bis jetzt die Verdienste der Engländer um den
Wohnbau noch nicht erheblich schmälern. Auch hierin unterscheidet sich ja
die Entwicklung des englischen Hauses so wesentlich vom kontinentalen
und für uns gültigen Typus. Während bei uns die Keimperiode der modernen
bürgerlichen Kultur in das Ende der klassizistischen Zeit fällt, ist sie für
England so erheblich früher eingetreten, dass der Klassizismus bereits
eine Erstarrung bewirkte.
An der grossen Zahl begabter Schüler der genialen Reformatoren ist
eine lebendige Weiterbildung ihrer Ideen zu beobachten. Einerseits erlangte
der handwerkliche Teil des Hausbaues durch das Studium der alten so wert-
vollen zunftmässigen Techniken eine Vollkommenheit in der Behandlung
des Materials, wie sie anderwärts nirgends auftritt und vielleicht auch kaum
erreichbar ist, und andrerseits wurde der Neigung zur Einfachheit der äusseren
Gestaltung gefolgt durch eine immer zunehmende Strenge und Geschlossen-
heit der äusseren Erscheinung, die mit dem nebligen Klima, den seltenen
Sonnenblicken auch eine praktische Begründung hatte. Was aber vielleicht
die grösste Bedeutung für die überzeugende Wirkung der künstlerischen
Gestaltung insbesondere auf unsere eigenen Verhältnisse hatte, das ist die
endliche Vereinigung jener beiden früher erwähnten Strömungen. Der
Architekt nahm auch die dekorative Ausgestaltung des Hauses ganz in seine
Hand, er denkt nicht mehr bloss an Grundriss und Aufbau, die fertige
Wirkung des eingerichteten Raumes in seiner farbigen Erscheinung ist der
Ausgangspunkt seiner Betrachtungen. Ausserdem trat die Befreiung von
Stylfesseln in das Stadium der vollen Selbständigkeit, die nach Neubildungen
strebt und in der Betonung der künstlerischen Persönlichkeit den Sieg der
künstlerischen Einflussnahme sieht.
So ist der englische Architekt Schritt für Schritt, wie es dem konser-
vativen Volkscharakter entspricht, zur höchsten Verfeinerung und Vertiefung
im I-Iausbau gelangt; und was der südliche Teil der Inselbevölkerung nicht
immer bis zur letzten Konsequenz verfolgen wollte, hat der nördliche Teil
sich zum besonderen Ziel gesetzt. Es sind vorwiegend junge schottische
Künstler, die diese „Künstlerkunst" im Heim betätigen.
Parallel mit der Entwicklung des Hauses und seiner Einrichtung läuft
diejenige des Gartens, welcher wie einst auch heute wieder als untrennbar
vom architektonischen Gedanken empfunden wird und mit zu einem
wichtigen Schaffensgebiet des Architekten gehört. Es ist ungemein anregend,