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der Kirche zur ganzen modernen Kunst (Se-
zession oder sonstwie genannt), und zwar in
schroff abweisendem Sinne, gelten sollte. Man
las diese Ausführungen mit Erstaunen, da die
Kirche in Kunstfragen zu allen Zeiten die
grösste Feinfühligkeit bewiesen und in Sachen
des Zeitstils sich niemals abweisend, sondern
im Gegenteil meist bahnbrechend betätigt hat.
An den kirchlichen Bauten haben alle die
grossen historischen Stile sich in Keim, Blüte
und Frucht am gründlichsten ausgelebt. Auch
in neuester Zeit hat gerade die katholische
Kirche den Bestrebungen zu moderner Bele-
bung des Kirchenbaues, im Sinne der Anpas-
sung an jetzige äussere und innere Bedürf-
nisse, ein geradezu förderliches Interesse zu
gewendet. Unter allem Schwanken der Tages-
meinungen fand gerade sie auffallend rasch
den richtigen Standpunkt und eröffnete Aus-
sichten auf weitgehenden Fortschritt, der sich
auch alsbald in bedeutsamen Symptomen, wie
der staatlichen Konkurrenz für einfache Dorf-
kirchen kundgab. Und nun alledem gegenüber
eine so entschiedene öffentliche Absage?
Glücklicherweise wurde das Missverständnis
- denn ein solches lag dem Vorfall zu Grunde
7 schon zwei Tage später beseitigt. Eine Zuschrift des in dieser Sphäre hochverdienten
Professors Dr. Heinrich Swoboda klärte die Zeitungsleser im Namen des Verfassers
beruhigend auf. Das Graussche Gutachten ist älteren Datums und hat sich keineswegs
allgemein gegen die moderne Kunst oder auch nur gegen irgend eine Kunstrichtung
wenden sollen. Im Gegenteil. „Meine Tendenz", erklärte Dr. Graus seinem Wortführer,
„war nur, eine ungerechte oder voreilige Verurteilung moderner Kunstwerke vom kirch-
lichen Stundpunkte aus zu verhüten und nur jene Grundsätze aufzustellen, nach denen
unzweifelhaft für den Kultus und die Erbauung des Volkes taugliche Kunstwerke geschaffen
werden müssen. Das kann aber in jedem Stil, auch im modernen erreicht werden. Ein
richtiges Urteil über neue Kunstschöpfungen kann nur von Fall zu Fall erfolgen." Professor
Swoboda hebt noch hervor, dass gerade Dr. Graus sich als Vorkämpfer gegen den Stil-
zwang verdienstlich bemüht hat und zitiert als Beweis den ganzen Wortlaut des Graus-
schen Urteils über das Wagnersche Kirchenprojekt. Von kunstwidrigem Vorurteil ist da
in der Tat keine Spur. So darf man sich schliesslich freuen, dass diese wichtige Angelegen-
heit einmal, unwillkürlicherweise, öffentlich erörtert worden ist.
Ausstellung von Goldschmiedearbeiren in Troppau,
Zuckerschale von A. S.. Görz 1831 (Kat. Nr. 266)
ALERIE LOBMEYR. Das Erdgeschoss des Künstlerhauses enthält gegenwärtig
eineAusstellung, wie sie in Wiennichtso bald gesehen worden ist oder gesehen werden
wird. Ludwig Lobmeyr hat zu wohltätigen Zwecken seine Bilderschätze zur Verfügung
gestellt. Einen Teil davon hat das Publikum, an gleicher Stätte, schon vor mehr als einem
Jahrzehnt gesehen, den Stock der Ölbilder wohl auch bei Gelegenheit der „Kunstwande-
rungen" zwischen den vier Wänden Lobmeyrs „in situ" bewundert. Trotzdem ist diese
l-leerschau von Malereien und Zeichnungen selbst für Kunstmenschen eine förmliche
Überraschung. Wer kannte denn anders als vom I-lörensagen den Inhalt der vielen gross-
mächtigen Mappen voll Aquarelle und Zeichnungen, die in gewissen Gegenden des Lob-
meyrschen Heims ganze Barrikaden bilden? Nun ist auch das alles ans Tageslicht gebracht;