längerung des hinteren Stützbrettes entwickelten Schemel sind viel weniger Sitzmöbel als
repräsentative Trophäen, Träger kunstreich geschnitzter Emblematik. Ihre Lehnen sind
weniger für den Rücken als für das Auge bestimmt.
Der glatte Bretterkasten des Untergestells verändert sich nun, die Kanten werden
mit Voluten und Blattwerk bewegt und enden in seitlings ausspringenden Löwenklauen.
Zum Wappenschild gliedert sich die Fläche und die Schmuckwirkung wird noch bereichert
durch Vergoldung und Durchbruch. Fratzen und Larven sind als Motiv dafür beliebt.
Nach dieser Epoche, die die Möbel lediglich nach dem Gesichtspunkt der Skulptur
ansieht, kommen allmählich Zeiten, die den Sitzkomfort entwickeln. Aus dem Hocker
wird das Taburett mit gepolstertem, seide- oder sammetbezogenem Sitz. Die Stilnuancen
der Taburette zeigen sich vor allem an den Trägern. Das Taburett ä Balustres aus der
PeriodeLouisXIV. ruht auf üppigen Tragsäulen, sie wachsen aus terassenförmigenAbsätzen
zu architektonischen Bekrönungen aus und von schweifigem Stegwerk werden sie ver-
bunden. Mit der gleichen pompösen Würde sind diese Taburette behandelt, wie ihre
grossen Brüder, die voluminösen Barokfauteuils. In dieser zeremoniellen Zeit sind es
übrigens nicht nur Sitze, sondern auch gleichzeitig Rangplätze. Das Taburett ist das
Privileg der adeligen Dame. Und auch in der geistlichen Etikette ist es ein Gradzeichen.
Neben dem Abtstuhl mit den breitgeschwungenen Arm- und Rückenlehnen stehen die
Taburette als Diakonensitze.
Kleidsamer für diesen Typus des leichteren Sitzmöbels ist die Rokokoformulierung.
Die weich geführten Rokokolinien geben den Beinen der Tabourette eine zugleich anmutige
und organische Linie. Sie runden und beugen sich, sie bieten den Sitz dar, wie der
knieende Page das Kissen. Und der Träger wirkt nicht als schwere Belastung, in leichter
ungezwungener Gebärde, noch leichter durch die Farben Weiss und Gold, biegen sich die
Glieder.
Im Louis XVI.-Stil herrscht nicht mehr das zärtliche Neigen; jetzt lockt der feine
und ernste Reiz der geraden Linie. Jetzt gilt das Raffinement dünngliedriger Pro-
portionen, und ästhetische Finessen kommen aus dem harmonischen Auf- und Ab-
schwellen der Pfosten. Als Köcher werden die zierlichen Träger gern gebildet und der
Seidene Sitz schwebt ohne Schwere darüber wie ein Baldachin.
S0 kann man die Seelenwanderung eines Typus verfolgen. Andere charakteristische
Ergebnisse findet man, wenn man nach den Ahnen heutiger Formen sucht. Und da ist
wohl das Originellste, dass die Form des Korbsessels rnit der rund den Rücken um-
buchtenden Lehne und dem Unterteil aus Gittergeflecht, wie er als englischer Gartenstuhl
für den Strand und neuerdings in Wien als graziösere, spielendere Abart des Club chair
variiert wurde, einen Vorgänger in einem altrömischen Stuhl aus dem III. Jahrhundert hat.
Nur im Bilde exisüert er freilich, ein Relief überliefert ihn. A. G. Meyer hat es in seinem
sehr instruktiven Tafelwerk zur Geschichte der Sitzmöbel, das einen guten Kommentar zu
dieser Ausstellung bietet, wiedergegeben. Nach dieser Reproduktion hat Bock in Biele-
feld einige Exemplare hergestellt. Es ist allerdings wohl anzunehmen, dass das antike
Original aus Metallbändern geflochten war. Aber der Unterschied läge da nur im Material,
die Technik wäre die gleiche.
Die Urverwandten der Stühle von heute findet man vor allem in der Periode, die
nach den Zeichen der Repräsentation und der Dekoration den Komfort und die Zweck-
mässigkeit betont, die nicht den Stuhl als ein Schmuck- und Prunkgerät betrachtet.
sondern als ein Möbel zum Sitzen und die daher logischerweise bei seiner Architektur
vom Umriss des sitzenden Menschen ausgeht. Solche sachliche Gesichtspunkte wurden
bei dem bäurischen Mobiliar - wie man in jenem vorher beschriebenen dreieckigen Stuhl
sehen konnte - unabhängig von dem jeweilig herrschenden Stilgesetz der grossen Welt
stets gewahrt. Wirksam in die Stilgeschichte treten sie im XVIII. Jahrhundert und sinn-
voll ausgebildet und vervollkommnet werden sie im ersten Drittel des XIX. Jahrhunderts
im Biedermeiermobiliar.