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unglaublich es klingt, diele Fabrikanten und Gewerbetreibenden
fcheinen wirklich der Meinung zu fein, daß die moderne Kunft*
bewegung eine Bewegung der Künftler ift, und daß lediglich
die Künftler die Bewegung gemacht haben, und daß es nichts
weiteren bedarf, als die Künftler als Störenfriede abzufcbaffen.
In ihrer traurigen Verblendung fcheinen diefe Menfchen nicht
zu ahnen, daß fich in der modernen Kunftbewegung der Ge=
nius des Volkes regt, und daß der Staat, die Gefellfchaft, die
Polizei, die Zunft kein Mittel befi^t, um die wachfenden Kräfte
diefes Genius zu hemmen. Diefe Leute fcheinen fich wirklich
einzubilden, daß der Staat nur dazu da ift, den egoiftifchen In=
tereffen einzelner Erwerbsgruppen zuliebe, den ungeheuren
Segen, den der fich entfaltende Genius über das Land bringt,
abzuwehren. Wenn wir felbft das Hbfurde annehmen, daß dies
gefcheben könnte, dann würden diefen Leuten febr bald die
Hugen übergeben in der Erkenntnis, daß in dem allgemeinen
Dorren fie die erften Opfer fein müffen. Was wir die Kunft»
bewegung nennen, ift zu tiefft der Husdruck der erwachenden
produktiven Kräfte, das Ringen nach Veredelung der Hrbeits*
würde und folglich auch der Menfcbenwürde. Es ift der läcber»
liehe Einwand erhoben worden, daß die Kunftbewegung doch
nur für einige Leute da fei, für folcbe, die fie bezahlen können.
Diefer einfeitigen und befebränkten Hnfchauung entgeht vollends
der tiefe und bedeutfame Hintergrund einer folchen Arbeit, näm
lich das mit diefer Bewegung in Berührung ftebende arbeitende
Volk felbft, das an der Hebung und Veredelung der Arbeit wirt»
fcbaftlicb und fittlicb beteiligt ift. Die moderne Kunftbewegung
gebt aus dem Volke felbft hervor. Denn, was fie bervorbringt,
wird von der Arbeit des Volkes bervorgebraebt, und es ift nicht
gleichgültig, ob die arbeitende Menfchbeit in Erniedrigung, in fith
lieber Verwabrlofung und im Verfall des Könnens dabinlebt, oder
ob es feine fruchtbaren Anlagen und Kräfte entwickeln und ge
brauchen lernt an edler Arbeit, die eine wirtfcbaftlicbe, gewerb
liche und menfebliebe Hebung zur Folge bat. Hier liegt eine
Aufgabe vor, an der niht nur das getarnte arbeitende Volk, die
gefamte Produktion und die Künftler, fondern auch das Publi
kum, das kaufende Volk und der Vermittler zwifhen beiden,
der Händler, beteiligt find. Wir können nur von der Hebung
des allgemeinen Niveaus eine Stärkung der Leiftung und eine
Steigerung des wirtfcbaftlicben Erfolges erwarten. Dagegen
müffen wir bei einer künftlihen Niederbaltung der Entwicklungs
kraft, wenn dies überhaupt möglich ift, die verbängnisvollften
Folgen vorausfehen, die fich alsbald in dem Unterliegen gegen
die vorwärtsftrebende auswärtige Konkurrenz, in einem Ver
tagen der inneren Tüchtigkeit des Volkes und mithin in einem
allgemeinen wirtfcbaftlicben und politifhenNiedergang des ganzen
Volkes geltend madoen müffen. Eine Aktion, die auf folcbe
Ziele zufteuert, ift im Grunde genommen ein Anfcblag auf die
lebendigften Intereffen des Volkes, die fich mit dem Begriff der
Kunftbewegung identifizieren. Niht in dem Zurück, in der Ver
minderung der Qualität, ift das Heil zu fuhen, fondern in der
Höberftellung der Arbeit, in der Forderung der Arbeitsfreude
und Arbeitstühtigkeit, in der Entfaltung fruhtbarer Anlagen
und Kräfte, in der Betonung der Qualität und der foliden Arbeit,
die das Gedeihen der Volkswirtfhaft als einer wahren Wirtfhaft
des Volkes fiebern. Für die wirtfhaftlih bedrängten einzelnen
Fabrikationen und Gewerbegruppen gibt es keine andere Ret
tung als die Selbftbilfe auf Grundlage der ausgefprohen fitt-
lihen Kräfte. Der Weg ift Steigerung der Qualität, Heranziehung
der beften Kräfte tühtiger Künftler und tüchtiger Arbeiter, ein
wandfreier Materialien, Erhöhung der Arbeitswürde. Und wenn
dies alles nah beftem Können gefheben ift, dann wird fich erft
die Frage entfheiden laffen, ob und inwieweit die bedrohten
Wirtfhaftsgebiete Exiftenzberehtigung haben oder niht. Soviel
aber läßt fich beute fhon fagen, daß eine Produktion, die niht
diefe Ziele im Auge bat, keine Exiftenzberehtigung befit^t. Es
ift eine Phrafe, zu erklären, daß eine Produktion gehalten werden
müffe, weil fie Brot gibt. Eine Produktion, die mit unrehten
Mitteln, mit unmoralifhen Grundlagen und mit dem Geift der
Rückftändigkeit und der Unterdrückung gehalten werden muß,
gibt in Wahrheit dem Arbeitenden kein Brot, fie gibt im beften
Falle Hungerlöbne und fordert dafür die Verminderung des
Könnens, den Verziht auf die Entwicklung tühtiger Kräfte, die
Verfhledüerung des Weltantlitjes durh Shunderzeugniffe und
ähnliche, durhaus verdammenswerte Shädigungen des gefamten
wirtfhaftlihen Körpers. Siher ift, daß eine auf gute Leiftung be
gründete Arbeit, fich in der kommenden Entwicklung der Dinge
wirtfhaftlid) behaupten wird. Soll aber dem Guten alle Ent-
wicklungsmöglihkeit geboten fein, dann müffen auh jene be-
fhwerdeführenden Intereffenten zunähft Kritik im eigenen
Lager üben und feftftellen, was fie noh tun müffen, um den
großen und fhweren Pflihten, die nah gefunder moralifher
Auffaffung mit dem Reht der Produktion verbunden find, Ge
nüge zu tun. L.
STRHSSENHRCHITEKTUR UND REKLHME
n der UMSCHAU zieht Dr. H. HOEGG gegen die gefhmacklofe
Verwilderung der Shilder- und Reklametafeln zu Felde.
Seine treffenden Ausführungen gipfeln in der Forderung,
daß Arhitekten, Gefetjgeber und Publikum fich zum Kampf
gegen unanftändige Reklame vereinigen müffen. Die Hauptauf
gabe liegt beim Arhitekten, dem Shöpfer des Straßenbildes,
der auh moralifh dafür verantwortlih ift. □
Hoegg wünfht Verordnungen diefer Art: □
1. Firmenfhilder und Reklamefhriften jeder Art an Gebäuden
dürfen nur mit Genehmigung des verantwortlihen Arhitekten,
oder falls diefer niht mehr zu erreihen ift, mit Genehmigung eines
baukünftlerifhen Mitarbeiters der Baupolizei angebraht werden.
2. Firmenfhilder und Reklamefhriften dürfen niht mehr als
ein Zehntel der Gebäudefront bedecken, auf der fie angebraht find.
3. Firmenfhilder und Reklamefhriften an kunftgefhihtlih
wihtigen Gebäuden unterliegen der Einwilligung des Konfervators.
4. Außerhalb des Weihbildes der Stadt, alfo wo die fogenannte
Landfhaft anfängt, find Firmenfhilder und Reklamefhriften
jeder Art überhaupt verboten. □
Endlih könnte auh vom Publikum nahgerade Hilfe erwartet
werden. Man follte annehmen, daß die Zeit nabe fei, da es
durh volkstümlihe Vorträge, Kunfterziebungstage, Kunftwart-
Publikationen, Ausftellungen und fonftige Bemühungen jener
Idealiften und Entbufiaften, die der Welt die Shönbeit erhalten
wollen, aufgerüttelt, fich felbft auh an dem Kampfe beteiligen
werde, den man doh eigentlih ihm, dem lieben Publikum
zuliebe, führt. □
Die Zeitungen wußten unlängft davon zu erzählen, wie die
Marburger Studenten eine das Bild der Stadt fhändende Reklame
dadurh wieder rafh aus der Welt fhafften, daß fie das be
treffende Gefhäft boykottierten. Diefes berzerfrifhende Vor
geben fheint mir ein Fingerzeig dafür zu fein, in welher Art
auh das Publikum in dem Kampf gegen das Reklamefhilder«
unwefen wirkfam eingreifen könnte. □
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