049
Landes gekommen. Davon liefert die interessante Sammlung indianischer
Korbflechtereien einen lebhaften Beweis. Ich meine unter „alt" nicht, dass
die hier im Kunstpalast ausgestellten Exemplare alten Datums seien. Das ist
durchaus nicht der Fall, sondern sie sind die Werke der Frauen und auch der
Männer aus jetzt noch existierenden Stämmen. Aber die Ausübung dieser
Kunstindustrie ist eine alte, die die Ureinwohner Amerikas stets gepflegt
haben. Leider werden sie es nicht mehr lange tun, denn im Erziehungs-
gebäude der Indianer wird uns gezeigt, wie die junge Indianergeneration
modernisiert und zu Fabriksarbeitern herangedrillt wird. Sie trägt moderne
Kleidung, erhält eine Schulbildung, aber die alten I-Iausindustrien ersterben
unter der neuen Kultur.
Wenn unabänderlich die moderne Kultur die alte individuelle Pro-
duktionsweise erst ausrotten muss, so ist es zu begrüssen, wenn wir mit fort-
geschrittener Kultur wieder von der Maschine zur künstlerisch verklärten
Handarbeit zurückkehren. Dieses Stadium beginnt man nun nach und nach
hier zu erreichen und wenn man aus dem Ideenschatze der Ureinwohner
sich einige Motive mit in die neue Ära hereinretten kann, da deren originelles
Tun doch zu Grabe gehen muss, so wird dies jedenfalls der Eigenart
amerikanischer Kunstindustrie nur förderlich sein.
Nicht nur im Kunstgewerbe, sondern im ganzen Gepräge dieser
amerikanischen Weltausstellung spiegelt sich der Zustand der Unfertigkeit,
der Halbheit, der im grossen Gegensatz zu manch hoher Vollendung hier-
zulande noch so vielfach anzutreffen ist und der in den Verhältnissen, dem
rapiden Heranblühen dieser neuen Welt seine Begründung hat.
DIE KÜNSTLERISCHE ENTWICKLUNG DER
WEBEREI UND STICKEREI Sie VON A. KISA
URCH seine Tätigkeit als Verwalter einer der voll-
ständigsten TextilsammlungenderWeltwohl vor-
bereitet und durch eine Geschichte der Spitzen-
kunst gut empfohlen, hat sich Dreger an die
schwierige Aufgabe herangemacht, in einem vom
k. k. Österreichischen Museum für Kunst und
Industrie herausgegebenen reich illustrierten
Werke, den künstlerischen Entwicklungsgang der
Weberei und Stickerei vom Standpunkte der
rnodernenWissenschaft aus zu schildern? Obwohl
die Wirkerei (Gobelinarbeit) und verschiedene im
häuslichen Betriebe geübte Techniken einer späteren getrennten Darstellung
vorbehalten blieben, ist das Thema wohl das umfangreichste, das es auf dem
" Moriz Dreger, Künstlerische Entwicklung der Weberei und Stickerei innerhalb des europäischen Kultur-
kreises von der spätantiken Zeit bis zum Beginne des XIX. Jahrhunderts. Mit Ausschluss der Volkskunst. 1 Band
1-9", 355 sehen 40, g Bände Tafeln gleichen Formates. Wien 1904. Aus der k. k. Hof- und Staatsdruckerei.