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Ostasien erleichtert, chinesische und japanische Kunstprodukte kommen
durch türkische Vermittlung immer zahlreicher nach Europa. In der Weberei
der Sarazenen tauchen absonderliche Formen auf, die wir uns gewöhnt
Aus einem Florentiner Gemälde vom Jahre 1373 (Aus Dreger, „Künstlerische Entwicklung der Weberei und
Stickerei", Wien, k. k. Hof- und Suatsdruckerei)
haben, mit der Gotik zu verknüpfen, weil sie uns auf Gewändern und Wand-
dekorationen gotischer Kirchen entgegentreten, obwohl sie mit gotischem
Stile nichts gemein haben. Sie sind durch Vermittlung Italiens, für welches
die Gotik nur eine Episode bildete, die nicht imstande war, sich ihre eigene,
alle Gebiete umfassende Kunstsprache zu bilden, über die Alpen gedrungen:
die Flammen- und Strahlenmuster, die drei Kugeln der Shingonsekte,
Löwen, die mehr wie Hunde stilisiert sind, verschiedene Tiere, die in Ostasien
heimisch sind und zufällig auch in der christlichen Symbolik eine Rolle
spielen, wie Hirsche, Rehe, Pelikane, Störche und andere Vogelarten. Dazu
kommt - gleichzeitig mit der Emanzipation der heimischen Flora durch
die Gotik - naturalistisches Pflanzenwerk und helle Farben, besonders ein
saftiges Grün. Es ist in einzelnen Fällen kaum möglich, die sarazenischen Stoffe
von ihren norditalienischen Nachbildungen, die seit dem XIII. Jahrhundert
in Lucca, Venedig, Genua, später auch in Florenz hergestellt wurden, aus-
einanderzuhalten. Noch schwerer ist es, die älteren Fabrikate dieser selbst
zu trennen, da die Muster an einem Orte im Laufe der Zeit wechselten. Im
allgemeinen weist man Lucca die zarten, frei verteilten Muster zu, während
sich Venedig enger an Vorbilder des näheren Orientes hielt und Genua die
üppigen Prachtstoffe bevorzugte. Später galt gerade Venedig für die vor-
nehmste Stätte des Luxus.
Im XV. Jahrhundert flutet der Naturalismus, zuerst im Oriente, merklich
zurück. Schon vorher hatte sich eine Ornamentform entwickelt, welche für
die Weberei diesselbe Bedeutung erlangen sollte, wie der Akanthus für die
Architektur, nämlich das Granatapfelmuster. Ihm ist einer der interessantesten
und am besten durchgearbeiteten Abschnitte des Buches gewidmet. In den
Schatzverzeichnissen taucht es als „Pinienapfel" zuerst bei orientalischen
Importen des XIV. Jahrhunderts auf. Seine Grundform ist bekanntlich die