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ADOLF VON MENZEL 5b VON LUDWIG
HEVESI-WIEN 50-
EUNZIGJÄHRIG, einer der Methusaleme, die an
der Wiege des neuen Deutschen Reiches ge-
standen, ist die „kleine Exzellenz" am 8. Februar
hinübergegangen in die Sphäre Friedrichs des
Großen. Eine Art Überlebender aus der Tafel-
runde von Sanssouci, dem es beschieden ge-
wesen, die Zukunft zu erleben. Er erlebte sie,
indem er die Vergangenheit künstlerisch ge-
staltete und mit ihrem Geist seine Zeit nähren
half. Er war ein Teil des Erinnerungsvermögens
seiner Nation, ein historisches Genie, wie sein
Landsmann Ranke, der die Geschichtschreibung auf eine unverbrüchlich
reale Grundlage stellte. Nicht mehr romantisch und romanhaft, sondern
wohlverbürgt, diplomatisch genau, naturgeschichtlich richtig sollten sich die
Ereignisse und Zustände darstellen. Verläßlich wie ein Corpus Inscriptionum
jenes dritten steinalten Zeitgenossen, Theodor Mommsens. Sie alle waren
Helden der induktiven Methode und Bismarck und Moltke nicht minder. Von
den Realien ausgehend führten sie erstaunliche Gebäude auf, von denen
lange Zeitalter geträumt hatten. Menzels Rekonstruktion des Zeitalters
Friedrichs des Großen, in jenen Hunderten von Darstellungen, die bis auf
den letzten Gamaschenknopf hinab so unwidersprechlich erscheinen, wird
allzeit als das Muster seiner Art anzusehen sein. Sie ist in der Hauptsache
eine auf zahllosen Minutien beruhende Zeichenarbeit. Das Jahrhundert hat
nur noch ein solches Zeichengenie gesehen, den Japaner Hokusai. Und
Menzel war als Zeichner ein natürlicher Ausdruck seines Volkes, er zeichnete
nicht minder preußisch als Chodowiecki. Der Duft des I-Ieimatbodens war
seine Stimmung. Und alles schwillt von „Intelligenz", zuckt vielmehr von
Schärfe, durchdringendem Auge, energischem Griff, mathematischem Ge-
wissen. Es gibt nicht nur exakte Wissenschaft sondern auch exakte Kunst.
Und dazu war alles voll nationaler Tendenz, die sich aber bei Menzels
wunderbarer Organisation stets mit der künstlerischen deckte. Die unge-
heure Sachlichkeit nahm, wie sie ihm zeitlebens aus allen Fingern strömte,
ein so zeichnerisch-malerisches Interesse und dabei einen persönlichen
Charakter an, daß jedes Zollbreit sein unverkennbares Gepräge trägt. Daß
solches Werk keiner noch so leistungsfähigen Abschreibernatur, sondern
nur einem Schöpfer gelingen kann, ist klar. Warum hätte sonst keiner der
zahllosen Historienmaler und Illustratoren des XIX. jahrhunderts, auch in
Frankreich nicht, aus totem Wust eine solche lebendige Welt aufgebaut?
Ihm kam das alles von selbst und brachte er auch gleich alles mit, was zur
Aktivierung erforderlich war, den Techniker, den Graphiker von erstaun-
licher Beholfenheit, auf dessen Wink der Holzschnitt, die farbige und farb-