L3!)
berückender Schönheit, daß man es kaum für eine bloße Bottega-Arbeit halten kann. Die
Gesichtszüge, sowohl der schwermütig anmutigen Madonna, als des heiligen Joseph und
Johannes des Täufers weisen entschieden auf Botticelli hin. In Botticellis „Anbetung der
Heiligen Drei Könige" in der Uflizi-Galerie ist ein Joseph, der, obwohl er dort steht,
während er in unserem Bilde sitzt, in der Stellung und in den Zügen große Ähnlichkeit
aufweist. Daß das Bild nicht von Filippino Lippi ist, dessen Tondi häufig mit Botticellis
verwechselt werden, geht aus dem Kopfe des Johannes hervor, der in Filippinos Bildern
stets ein verwildertes, halb wahnsinniges Aussehen hat. Auch hat der Hintergrund dieser
„Heiligen Familie" viel mit dem des Uftizi-Bildes gemein, besonders die aus viereckigen
Blöcken aufgebaute Ruine und das auf Holzsäulen gestützte hölzerne Dach. Auf jeden Fall
ist das Bild ein hervorragendes Beispiel der florentinischen Schule jener Zeit. P. G. K.
ERLINER DEKORATIVE CHRONIK. Bei Wertheim sieht man eine Filiale
der Londoner Arts and CraR-Ausstellung. Der Lyceumklub hat hier ein dekoratives
Gastspiel englischer Künstlerinnen veranstaltet, die von Ashbee und Walter Crane ge-
führt, mit Arbeiten aus mannigfachen Gebieten, mit Möbeln, Metallgerät, Schmucksachen,
Kostümen, Bucheinbänden, ornamentalen Zeichnungen, Glasfenstern erscheinen.
Walter Crane, von dem ornarnentale Zeichnungen und dekorative Märchenentwürfe
gerahmt an den Wänden hängen, tritt hier mehr begleitend auf. Stark wirksame Anregung
spürt man aber von der Beteiligung Ashbees.
Das eigene Gerät, das von ihm ausgestellt ist, zeigt die charakteristische Flächen-
behandlung dieses Künstlers. Die Wandung der Silberbecher, Schalen und Kassetten ist
mit leichten Hammerschlägen ganz zart, fast streichelnd geklopft. Wellig vibrierend wird
dadurch die silberne Epidermis, sie scheint sich zu strecken, es ist als ob federnde Sehnen
über sie liefen. Eine lebendige Bewegung entsteht so auf der Metallfiäehe, die organisch,
natürlich und beinahe kunstlos wirkt. Für diesen matten, durch die wechselnde Bewegung
abgetönten Silberschein gewinnt sich Ashbee farbige Akzente. In die Wandungen der
Gefäße, auf die Ränder des Untersatzes und des Deckels inkrustiert er Cabochons bunter
Halbedelsteine. So ergibt sich ein schön abgetöntes Spiel koloristischer Mischungen
über einem weißschimmernden silbrigen Grund.
Zu größerer Steigerung führt Ashbee diese Instrumentation in den Gefäßen, die er
mit Emaildekor schmückt. Ein tiefes, brennendes Leuchten strömt von ihnen aus. Ver-
haltene Glut wogt in ihnen und wirft Reflexe über den umfassenden Rand auf die kühlen
Silben-lachen. Besondere Proben solchen Emailfeuerzaubers kann man in dieser Aus-
stellung sehen.
Ovale und runde Dosen, Kassetten und viereckige Boxes für Zigaretten, die in ihren
Leibungen jene vorher charakterisierte, vibrierende, weich federnde Bewegung zeigen,
tragen oben auf der Schlußklappe Emailzierat. Darstellerisch ist es, einmal ein Schilf auf
den Wellen, eine Waldlandschaft, ein Adler. Aber diese Emailmalerei ist natürlich nicht
stofilich gemeint, sie ist farbige Instrumentation. Das mastenreiche Segelschiff in
schwimmenden, an Alt-Delft erinnernden, blauen Tönen; die Waldstimmung grün-braun-
golden, voll iiammender Sonnenuntergangsglut, der Adler in seinem heraldischen chan-
gierenden Gefiederfacherspiel - sie alle geben einen rauschenden Farbenakkord, der seine
klingenden Wellen über die Silberfläche strömen läßt, gleich Meerleuchten.
Im Schmuck, den Halsketten und Ringen, bevorzugt Ashbee das Rustikale, ja man
könnte sagen das Ethnographische. An Stücke aus Volkstrachtenmuseen wird man
manchmal erinnert, an altes Bauernschatzzeug norwegischen Stammes. Massig sind die
Silberschließen, die Kettengehänge, die iigürlich geschnittenen Faustringe.
In den hier ausgestellten Schmucksachen aus der Gruppe, die Ashbee nahe steht,
überwiegt ein zarteres Element. Material ist Silber, Stein und Email. Bemerkenswert sind
manche Halsketten, in denen die schön geschnittenen Glieder von besonders ausgesuchten,
interessant und wechselnd gefleckten I-lalbedelsteinen unterbrochen werden und die als