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Viel Kultur zeigt die Buchkunst dieser englischen Frauen, deren Proben eine will-
kommene Ergänzung zu der großen augenblicklich im Lichthofe des Kunstgewerbe-
museums stattfindenden Buchausstellung bietet. Diese Einbände sind gleich stilsicher, ob
sie die reichen Ausdrucksmittel des Leders und Pergaments oder die ganz schlichten des
anspruchslosen Pappbandes mit aufgesetzter Etikette wählen.
lVlusterhaB: erscheint die Behandlung der Deckel- und Rückenllächen, die Komposition
der sparsamen Goldlinien, des Gitterornaments ä petit fer und das gelungene in diesem
Dekor eingeordnete Satzbild des Titels, das mit seinen aparten Lettern selbst wieder zum
Ornament wird.
Besondere Reize weist neben den Marokko-Ganzlederbänden, die in saftigem Rot und
Grün erscheinen und die im Regal eine herrliche Bücherwand abgeben, der Pergament-
band. Er hat etwas Improvisatorisches, Artistisches gegenüber der abgeschlossenen rest-
losen Vollkommenheit jener Lederbände. Mappenartig wirkt er; mit Bändern wird er
zugebunden; die unregelmäßig gefleckte, von der Natur willkürlich gelb und bräunlich
marmorierte Fläche ist ein wundervoller Grund für farbiges und goldenes Gepräge. In
einer der Vitrinen steht eine solch erlesene Pergamentdecke zur Schau, auf der byzanti-
nische l-Ieiligentiguren gepreßt sind in punktierten Goldlinien, in der preziösen Stichel-
zierschrißz, die Aubray Beardsley liebt. Die Heiligenscheine sind wie Diademe von Lalique
und durch ihr mattgoldenes Zackenwerk leuchtet das Gelb des Pergaments gleich altern
Elfenbein.
Wir können heute übrigens diese Künste neidlos sehen, denn nach den Jahren völliger
Vernachlässigung und den mißverstandenen Anfängen überladener Ausstattung, sind wir in
Deutschland auf gutem Wege in der Buchbehandlung, und in der Vielseitigkeit, gleich sicher
das Kostbare wie das Schlichte zu verwalten, stehen wir hinter England nicht zurück. Das
beweisen die erlesene Bibliophilie, die MelchiorLechter in den von ihm inszeniertenBüchern
pflegt und die der Inselbücherei, des Diederichschen, Fischerschen, Bardschen und
Cassirerschen Verlages. Und diese Namen sind noch nicht erschöpfend für die mannig-
fachen liebevollen Bemühungen um das Buch in Deutschland.
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Doch zurück zur englischen Kolonie.
Es gibt in ihr auch ödere Strecken und manchmal ein Niveau, das in der Berliner
Frauenkunstausstellung vom vorigen Jahre, der Vorschau für St. Louis, nicht möglich
gewesen wäre. Sehr gleichgültig sind zum Beispiel die Möbel. Die Stühlchen für ein
Kinderzimmer mit dem Tisch, der Wiege und einem Kästchenschrank haben nichts, was
Tir uns bemerkenswert oder lehrreich wäre; der Schrank mit seiner hellgrün gestrichenen,
aufgesetzten steifen Füllung in dem dunklen Eichengrund ist in seiner Farbe sogar beinahe
Gegenbeispiel.
Der Faullenzerstuhl von Mary Hart benutzt die langen tiefen Streckungen amerikani-
scher Rocking chairs. Von ihnen lernte sie das Zweckmäßige im Bau; das, was selbständig
dazu "getan ward, die harte geschnitzte Holzrückenlehne, macht den ganzen Stuhl unmöglich.
Eine zweifelhafte Schönheit ist auch Stella Sleigh Eckschränkchen. In Anlehnung an
Bai1liScott und die Schotten vereinigt es die primitive Wirkung naturfarbenen Eichen-
holzes mit Luxusintarsien aus Perlmutt. Sie schmücken die Türe mit einem knieenden
Ritter. Das ist nun wirklich nur ein äußerliches Ausputzen, ein Ornament, das der
„nötigen Beziehung" entbehrt. Das Schränkchen scheint nur dazu gemacht, um den
Vorwand für eine Intarsiaproduktion zu liefern und an sich ist es ein Verlegenheitsmöbel.
Wir lieben die Wand in einer gewissen Zusammenhangsgliederung. Wenn wir eine Ecke
haben, dann bauen wir sie von unten auf aus, mit einer Regal- oder einer Sofarundung,
aber solche Ecken unten tot und leer zu lassen und dann oben einen in seiner Flachheit
außerdem schwer verwendbaren Kasten in der Luft schweben zu lassen, scheint recht
sinn- und formlos, selbst wenn der Kasten ritterschaftlich ist.