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Volltext: Monatszeitschrift VIII (1905 / Heft 2)

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Viel Kultur zeigt die Buchkunst dieser englischen Frauen, deren Proben eine will- 
kommene Ergänzung zu der großen augenblicklich im Lichthofe des Kunstgewerbe- 
museums stattfindenden Buchausstellung bietet. Diese Einbände sind gleich stilsicher, ob 
sie die reichen Ausdrucksmittel des Leders und Pergaments oder die ganz schlichten des 
anspruchslosen Pappbandes mit aufgesetzter Etikette wählen. 
lVlusterhaB: erscheint die Behandlung der Deckel- und Rückenllächen, die Komposition 
der sparsamen Goldlinien, des Gitterornaments ä petit fer und das gelungene in diesem 
Dekor eingeordnete Satzbild des Titels, das mit seinen aparten Lettern selbst wieder zum 
Ornament wird. 
Besondere Reize weist neben den Marokko-Ganzlederbänden, die in saftigem Rot und 
Grün erscheinen und die im Regal eine herrliche Bücherwand abgeben, der Pergament- 
band. Er hat etwas Improvisatorisches, Artistisches gegenüber der abgeschlossenen rest- 
losen Vollkommenheit jener Lederbände. Mappenartig wirkt er; mit Bändern wird er 
zugebunden; die unregelmäßig gefleckte, von der Natur willkürlich gelb und bräunlich 
marmorierte Fläche ist ein wundervoller Grund für farbiges und goldenes Gepräge. In 
einer der Vitrinen steht eine solch erlesene Pergamentdecke zur Schau, auf der byzanti- 
nische l-Ieiligentiguren gepreßt sind in punktierten Goldlinien, in der preziösen Stichel- 
zierschrißz, die Aubray Beardsley liebt. Die Heiligenscheine sind wie Diademe von Lalique 
und durch ihr mattgoldenes Zackenwerk leuchtet das Gelb des Pergaments gleich altern 
Elfenbein. 
Wir können heute übrigens diese Künste neidlos sehen, denn nach den Jahren völliger 
Vernachlässigung und den mißverstandenen Anfängen überladener Ausstattung, sind wir in 
Deutschland auf gutem Wege in der Buchbehandlung, und in der Vielseitigkeit, gleich sicher 
das Kostbare wie das Schlichte zu verwalten, stehen wir hinter England nicht zurück. Das 
beweisen die erlesene Bibliophilie, die MelchiorLechter in den von ihm inszeniertenBüchern 
pflegt und die der Inselbücherei, des Diederichschen, Fischerschen, Bardschen und 
Cassirerschen Verlages. Und diese Namen sind noch nicht erschöpfend für die mannig- 
fachen liebevollen Bemühungen um das Buch in Deutschland. 
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Doch zurück zur englischen Kolonie. 
Es gibt in ihr auch ödere Strecken und manchmal ein Niveau, das in der Berliner 
Frauenkunstausstellung vom vorigen Jahre, der Vorschau für St. Louis, nicht möglich 
gewesen wäre. Sehr gleichgültig sind zum Beispiel die Möbel. Die Stühlchen für ein 
Kinderzimmer mit dem Tisch, der Wiege und einem Kästchenschrank haben nichts, was 
Tir uns bemerkenswert oder lehrreich wäre; der Schrank mit seiner hellgrün gestrichenen, 
aufgesetzten steifen Füllung in dem dunklen Eichengrund ist in seiner Farbe sogar beinahe 
Gegenbeispiel. 
Der Faullenzerstuhl von Mary Hart benutzt die langen tiefen Streckungen amerikani- 
scher Rocking chairs. Von ihnen lernte sie das Zweckmäßige im Bau; das, was selbständig 
dazu "getan ward, die harte geschnitzte Holzrückenlehne, macht den ganzen Stuhl unmöglich. 
Eine zweifelhafte Schönheit ist auch Stella Sleigh Eckschränkchen. In Anlehnung an 
Bai1liScott und die Schotten vereinigt es die primitive Wirkung naturfarbenen Eichen- 
holzes mit Luxusintarsien aus Perlmutt. Sie schmücken die Türe mit einem knieenden 
Ritter. Das ist nun wirklich nur ein äußerliches Ausputzen, ein Ornament, das der 
„nötigen Beziehung" entbehrt. Das Schränkchen scheint nur dazu gemacht, um den 
Vorwand für eine Intarsiaproduktion zu liefern und an sich ist es ein Verlegenheitsmöbel. 
Wir lieben die Wand in einer gewissen Zusammenhangsgliederung. Wenn wir eine Ecke 
haben, dann bauen wir sie von unten auf aus, mit einer Regal- oder einer Sofarundung, 
aber solche Ecken unten tot und leer zu lassen und dann oben einen in seiner Flachheit 
außerdem schwer verwendbaren Kasten in der Luft schweben zu lassen, scheint recht 
sinn- und formlos, selbst wenn der Kasten ritterschaftlich ist.
	        
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