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Volltext: Monatszeitschrift VIII (1905 / Heft 2)

Wenig Vergnügen machen auch die etwas bunten, märchenhaften redseligen Appli- 
kationen nach Walter Craneschen Legenden- und Sagenmotiven. 
Mühe und Arbeit und großer Materialwert steckt in einem mächtigen Paravent, 
doppelseitig in Leder geschnitten, schwer gerahmt mit Metallecken. Übertragener 
Foliantenstil ist das, treufleißig, aber ohne jeden Persönlichkeitsreiz im Archaismus. 
Auch der Schaukasten für die Frauentracht enthält nichts unbedingt Bestechendes. 
Unsere deutschen Entwürfe von Elisabeth von Hahn zum Beispiel und Elsa Oppler 
scheinen reiner und ruhiger im Geschmack als die fatal an Maskerade mahnenden Bunt- 
heiten dieses englischen Imports. 
Durch ihre Details aber fällt hier Jessie l-Iössel auf. Von ihr sind Einzelstücke, Seiden- 
Bächen mit landschaftlichen Vignettenwerk in Stickerei dekoriert worden, das hohen Reiz 
hat. Blütenbäume von zarten Filigranastwerk der zierlichen Stämme, weiß überrieselt, malt 
sie mit der Nadel in meergrünem Grund und die Grazie der Handschrift erinnert an 
Vogelers und Karl Walsers subtil haarfeine Federzüge. 
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Im Kupferstichkabinett ward eine außerordentlich anregende Ausstellung von jaro 
Springer inszeniert und mit belehrendem Geleitwort erläutert. Thema ist: „Das weibliche 
Bildnis in Kupferstich, Holzschnitt und Lithographie vorn XV. bis zum XX. Jahrhundert." 
Am Eingang dieser fesselnden Frauengalerie steht ein Blatt, das Springer als eine 
„wahre Inkunabel des Kupferstiches" bezeichnet. Es ist ein italienischer Stich aus der 
frühen Zeit um 1450 und stellt eine junge Dame mit reichern Kopfputz dar. Weniger 
durch die Charakteristik, die allgemein typisch gehalten ist, erscheint er so bedeutsam als 
durch die ornamentale Behandlung des Kopfschmuckes. Der gleicht dem Ornamentstich 
eines Geschmeides und zeigt offenbare Goldschmiedetechnik. Dieses Verfahren bringt 
unbewuBt, aus seiner handwerklichen Beziehung heraus, jene Filigranreize, das Juwelier- 
hafte, die zierenden Golddrahtlinien, die wir heute bei sehr raffinierten Schmuckkünstlern, 
bei Aubray Beardsley, Somoff, Karl Walser bewußt angewendet finden. 
Reich vertreten ist das XVII. jahrhundert, die „klassische Zeit des Porträtstiches", 
aus allen Reichen, vornehmlich aus den Niederlanden. l-Iendrick Goltzius und Hieronymus 
Wierix führen hier und die Stechersuite der Rubens und van Dyck folgen. Unter Anton 
van Dycks Regie erschien ein großes Porträtwerk, „die Ikonographie des van Dyck", das in 
Kupferstichen nach des Meisters Vorlagen die Bildnisse berühmter Zeitgenossen enthält. 
Eine ausgesprochene Vorliebe für malerische Wirkungen zeigt sich und nur selten 
tritt der zeichnerische Linienstich in Holland auf. Cornelis Vischer in seinem Abbild der 
ersten Gemahlin des großen Kurfürsten (nach einem Gemälde von Honthorst) erreicht 
tiefe und farbige Wirkung, die fast an die Radierung erinnert, und ihm verwandt ist jonas 
Suyderhoef. 
In Frankreich findet man in einem Stecher die virtuose Ausbildung der Linienkunst, 
in Claude Mellan. Er arbeitet nur mit parallelen Linien, sie kreuzen sich nie und durch 
das Verhältnis der dünneren Striche zu den dickeren erreicht er die Modellierung. An die 
diskreten Raffinements der Hellkunst denkt man bei ihm manchmal. Die gleichzeitigen 
französischen Stecher des Siecle Louis XIV stehen der niederländischen Art näher. Von 
ihnen hat hervorragende Bedeutung der in Paris arbeitende Antwerpener Gerard Edelinck, 
der vorbildlich für die andern wirkt. Aus dieser Gruppe ist zu erwähnen das lebendige 
Porträt der Liselotte von Charles Simonneau nach I-Iyacinthe Rigaud und das der Adrienne 
Lecouvreur von Pierre Drevet nach Coypel. 
Die reichste Ernte h'a'lt die Sammlung natürlich im XVIII. jahrhundert. Vollendete 
technische Kunst in der Wiedergabe der Salonszenerie, der Gewänder und des gesell- 
schaftlichen Apparates zeigen die französischen Blätter. Moderne Kunst ist in diesen 
Bildern vom Hofe Louis XV, den Porträten der jungen Königstochter, die als Nonne starb, 
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