Straßen- und Platzanlagen.
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Die neuen Straßenanlagen wirken selbst in dem von dem bekannten Architekten Siccards-
burg entworfenen Stadtteile „Favoriten“ „uniformiert“, und wird dieser Eindruck nur durch
die eingeschalteten öffentlichen Gärten und Baumpflanzungen gemildert.
Die Breiten der Haupt- und Nebenstraßen sind in Wien relativ gering und stehen in
keinem Verhältnis zu den Haushöhen, wie in vielen anderen Städten. Die größte Breite besitzt
die Gürtelstraße mit 75 86 m (40 Klaf
ter), dann folgen die Ringstraße mit
56'89 m (30 Klafter), die Praterstraße
in ihrem oberen Teil mit fast 43'00 m.
Hieran schließen sich jene Straßen,
die Teile alter Reichsstraßen sind,
wie: die Mariahilferstraße, welche in
ihrem oberen Teil eine Breite von
34'4 m hat, sich jedoch im untersten
Teil auf 26'55 m verengt, dann die
Linzerstraße, die Wiedener Haupt
straße, die Matzlcinsdorferstraße, die
Landstraßer Hauptstraße, die Triester-
straße und Simmeringer Hauptstraße,
deren Breiten im Mittel 23’00 m,
23-00 bis 26 00 m, 30 34 m, 24’65
bis 28-45 m und bei beiden letzt
genannten 28'45 m betragen. Ansehn
lichere Breiten besitzen noch die
Alserstraße (18-96 bis 30 0 m), die
Währingerstraße (18-96 bis 28 0 m)
und die Obere Augartenstraße (50 00
bis 67‘00 m).
Die anläßlich der in der Mitte
des 19. Jahrhunderts begonnenen
planmäßigen Regulierung in den ver
schiedenen Bezirken neu angelegten
oder verbreiterten alten Hauptstraßen
bekamen in der Regel eine Breite
von 10 Klaftern = 18-96 m, seltener
eine Breite von 12 Klaftern = 22-76 m.
Die Breiten der Hauptstraßen der
sogenannten Donaustadt, das ist der
am regulierten Donaustrom gelegenen
Stadtteile des II. und XX. Bezirkes,
wurden meist mit Breiten von 18’96,
28 45 und 3004 m bemessen. Die
bereits erwähnten, vom Ring in die
Innere Stadt führenden Fortsetzungen
der Radialstraßen haben meist von . , .
alters her nur ganz geringe Breiten. Unter den Straßen, deren Verbreiterung energisch in
Angriff genommen und durchgeführt wurde, ist vor allem die Kärntnerstraße zu nennen, deren
alter Teil von einer mittleren Breite von 9 0 m auf eine Breite von 19-0 m gebracht wurde (siehe
Abb 120) Die Verbreiterungen der Rotenturmstraße auf 19 0 m, der Wipplingerstraße auf
17 0 m sind zum größeren Teil bereits durchgeführt; dagegen weisen andere Hauptstraßen,
wie die Wollzeilc und Singerstraße, heute noch größtenteils ihre geringen alten Breiten von
zirka 9 0 m auf, und ist für dieselben überhaupt nur eine Breite von 15 m vorgesehem Die sehr
verkehrsreiche Herrengasse hat sogar nur die durchschnittliche Breite von zirka 8 0 m und
wird infolge der zahlreichen dort befindlichen öffentlichen Gebäude und Palaste in abseh
barer Zeit kaum breiter gemacht werden können. Die Nebenstraßen sind in der Innern Stadt
und in den älteren Teilen der Bezirke natürlich noch weit schmäler als die Hauptstraßen.
Breiten von 9. ja sogar von 7 und 5 m sind in denselben nicht selten, doch wird deren Ver
breiterung auf mindestens 10 bis 12 m angestrebt. In jenen neuen, außerhalb des ehemaligen
Wohnvierteln mit landhausartiger Ver
bauung, welche meist außerhalb der
Vorortelinie der Stadtbahn im Norden,
Westen und Südwesten der Stadt ge
legen sind, haben die Nebenstraßen ge
wöhnlich 12 00 bis 13 00m Breite und
beiderseits meist 4 bis 5 m tiefe Vor
gärten. Abb. 119 zeigt ein Querprofil
einer derartigen Straße mit geböschtem
Vorgarten an der Bergseite, bei welchem
die Anlage hoher Stützmauern gegen
die Straße vermieden ist. Die Vorgarten
tiefen hängen vom Terrainquergefälle ab.
Straßenwesen.
Linienwalles gelegenen Stadtteilen, wo die Verbauungshöhe auf drei Stockwerke beschränkt
ist, wurden die Nebenstraßen, einer Bestimmung der Bauordnung entsprechend, in der Regel
15 bis 16 m breit angelegt. In den
Abb. 119. Querprofil einer Vorgartenstraße. 1:300.
Die in das Gebiet der ersten Stadterweiterung fallenden Teile der Haupt- und Nebenstraßen
des I. Bezirkes wurden mit großen Breiten angelegt. So ist z. B. die Breite der verlängerten
Kärntnerstraße (siehe Abb. 120) mit 37‘93m, der verlängerten Wipplingerstraße mit 27 66 m,
die der Universitätsstraße als Verlängerung der Schottengasse mit 50 50 m bemessen Die'
Nebenstraßen sind meist 1517 m, 16 00 m oder 17-OOm breit, ln den neu projektierten und
im Entstehen befindlichen Stadtteilen sind die Hauptstraßen unter Berücksichtigung einer
späteren Bepflanzung und Führung der elektrischen Straßenbahn auf eigenen Banketren mit
26 00 bis 33-00 m Normalbreite angenommen. Die Breite der Nebenstraßen richtet sich nach
der Verwendungsart des betreffenden Stadtgebietes. Von der Gesamtstraßenbreite entfallen
bei normalen Straßenbreiten einer Bestimmung der jetzt geltenden Bauordnung entsprechend
auf die beiden Trottoire je ein Sechstel. Diese Breiten reichen meistenteils für den lebhaften
Fußgeherverkehr der Hauptstraße nicht aus und ergeben auch für die Nebenstraßen zu geringe
Maße, weshalb in jüngster Zeit bei Neuherstellungen der Straßendecke die Trottoire auf je ein
Fünftel der Gesamtstraßenbreite vergrößert werden.
Die Anordnung von Baumreihen und Anpflanzungen kommt bei den alten Straßen schon
wegen der geringen Straßenbreite selten vor; sie ist aber meist auch dann nicht mehr durch
führbar, wenn diese Straßen auf eine für die Bepflanzung genügende Breite gebracht worden
sind, weil die im Untergründe befindlichen, der alten unregelmäßigen Trace der Straße fol
genden Objekte (Kanäle, Gas-, Wasser- und Kabelleitungen aller Art) in der regulierten Straße
so ungeordnet liegen, daß sie vielfach in die Baumreihen fallen würden. Es sind auch die
Kosten der Bepflanzung relativ sehr hoch, weil der Untergrund für das Gedeihen der Alleen
meist nicht geeignet ist und
daher Baumgruben mit 9 bis
18 m 3 Gartenerde für jeden
Baum hergestellt werden müs
sen. Die Anpflanzung eines
Baumes kostet dann einschließ
lich des Schutzkorbes, der Ra
senscheibe und der Bewässe
rungsanlage 100 bis 150 K. Bei
neuen Straßenanlagen mit Brei
ten von 23 00 m oder mehr
werden indessen trotzdem in
der Regel Baumreihen vorge
sehen. Eine nachahmenswerte
Lösung zeigt Abb. 122, welche
ein Querprofil der Landesge
richtsstraße beim Rathause dar
stellt. Die Allee auf der einen
und die Gärtchen auf der ande
ren Seite geben dieser Straße
ein sehr freundliches Aussehen.