eine organische Überführung um die Ecke in das stillere Halbrund des Potsdamerplatzes
zu erreichen. Messels feiner Stilsinn, der gerade in den Wegen alter Kultur so sicher geht,
mußte natürlich vermeiden, hier die alte Gliederung weiter fortzusetzen. Das monumentale
Schaufenster- und Schauhausprinzip, das in der bewegten, lebhaften, lärm- und menschen-
erfiillten Großstadtstraße den einzig richtigen Ton für ein Warenhaus angibt, wird
zweifelhaft und deplaziert, wenn es auf einem alten Platz, der hinter Gartenanlagen eine
ruhige Bucht inmitten des hastenden Verkehres bildet, angewandt wird. Eine Fassade, die
mit ihren gläsernen Wänden das innere Leben des Hauses nach außen spiegelt, würde
nicht in die Nachbarschaft der alten reservierten Berliner Häuser passen, die auf diesem
Platze, straßenabseits sich ganz ladenrein gehalten haben.
Messel glückte es, den Geschäftsstil iiberzuleiten in einen Stil, der der gemessenen Art
des Platzes entsprach; die Art des Platzes mußte dabei als kompakte Majorität und Masse
naturgemäß das Übergewicht über den konstruktiven Zweckstil bekommen, die Waren-
hausphysiognomie mußte hinter einer künstlerisch gesteigerten Architekturphysiognomie
zurücktreten.
Zwei Faktoren wurden hierbei wirksam. Für das Erdgeschoß eine Arkadenanlage,
für den Oberbau eine grandiose Gliederung aus schmalgeschlitzten Fenstern von Kathe-
dralglas, in mächtigen Steinpfosten gerahmt.
Die Arkaden tragen prachtvolle Steinmetzarbeit. In einem außerordentlich reizvollen
Material, fränkischem Muschelkalkstein von rauhkörniger Struktur, sind sie gebaut. Die
Basis der Träger ist blockartig geschichtet, als wären die Steine übereinander gewälzt, und
dekorative Wirkung, allein mit dem Stoffcharakter, wird dadurch erreicht, daß glatte
Flächen mit den rauhen wechseln. Plastischen Schmuck erhielten diese Arkadenbogen,
vignettenarüge Randeinfälle, aus dem Stein gehauen. Hierbei waltete außerordent-
licher Takt. Jede aufdringliche Allegorisiererei, jedes Wandetikettieren ward vermieden.
Auf Flächenbelebung kam es an, aus den Steinüächen ein schmückendes Motiv sich bilden
zu lassen, organisch, als wäre es darauf erwachsen. Alle diese weichen, aus dem Grunde
(wie bei alten Plaketten) sich wölbenden Basreliefs wirken, als wären sie jahrelang schon an
ihrem Platze. Und der tufsteinarüge Charakter, das Streusselige, Verwitterte des Materials
kommt dieser andeutenden Ornamentsprache sehr zu statten. Münchener Künstler haben
hier gearbeitet, josef Rauch und ProfessorFloßmann vor allen, und eine Münehenerische Note
hat auch diese Art, man braucht nur an das neue Münchener National-Museum zu denken.
Über den Arkaden steigen nun in der ganzen Höhe des Oberbaues bis zu dem
mächtigen Dach steinerne Stollen auf. Die vertikalen Träger aus der Leipzigerstraße, die
in breitem Abstand die Schaufenster rahmten, scheinen hier eng zusammengerückt zu einem
kolossalen steinernen Gitter, dessen Langmaschen mit Kathedralglas gefüllt sind und das
als krönenden Abschluß ein sparsames Maßwerk hat.
Ein gewisser kirchlicher Anklang ließ sich bei solcher Komposition schwer vermeiden.
Er ist aber durchaus nicht aufdringlich. Und diese Fensteranlage ist ja keine dekorative
Maskerade, sie ergab sich aus inneren und äußeren Gründen.
Ein großer Saal, der ausgiebige Belichtung brauchte, sollte in diesem Stockwerk liegen;
Schaufenster waren ausgeschlossen, weil der Geschäftseindruck, die öifentliche Exposition
des Warenlagers und der Messe nicht zu dem Platze stimmte, also blieben nur Monumental-
fenster übrig. Und für sie bieten Kirchen immer noch die beste Anregung. Steinrahmen
und Kathedralglas ist das einzig Passende. Immer wird es ein Mißgriff sein - unser
Wallot-Reichstag und der justizpalast in Brüssel zeigen das - wenn man einen Kolossal-
bau, hinter dessen Mauern man die weiten Dimensionen der Säle ahntfmit Fenstern aus-
stattet, die eben nur willkürlich vergrößerte Wohnhausfenster sind, in Holzrahmen mit
tot und leer gähnenden Glasplatten.
Dies Obergeschoß, schwerwuchtig und doch wieder durch den Durchbruch, durch
die Reihengliederung und die Glasfüllung leicht musikalisch-rhythmisch bewegt, bietet
ein ästhetisches Eindrucksvergnügen erlesener Art.