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Volltext: Monatszeitschrift VIII (1905 / Heft 4)

hin sehen wir aber im Ofen das Werk einer Zeit, die mehr als das Menschen- 
möglichste zu leisten suchte. 
Ähnlich war es in der Rauris. Der große Reichtum, der aus den Bergen 
fioß, wollte Dinge auf den Besitzungen der reichen Gewerken sehen, wie 
sie vorher nicht geboten wurden. Wenn es wahr ist, daß damals die 
Knappen mit silbernen Platten nach dem Ziele warfen, das Wild mit 
silbernen Kugeln jagten und lebenden Ochsen die Haut vom Rücken zogen, 
so gab es dort Mutwillen und Wohlstand genug. Der Wohlstand förderte 
die Freude am Schönen und das Bedürfnis, Alles aufs Beste zu haben. 
Das ausgehende XV. und das beginnende XVI. Jahrhundert haben auch 
im Lande Salzburg den Charakter einer gewaltigen Kunstepoche. In diesen 
Zeitraum von wenigen Dezennien drängt sich die Entstehung, beziehungs- 
weise der Umbau der gotischen Kirchen in Mariapfarr, Hüttau, Vigaun, 
Adnet, Scheffau und etwa hundert anderer Kirchen im Lande. Die schönste, 
die spätgotische in Gastein wurde 1498 begonnen und in den ersten Jahren 
des folgenden Jahrhunderts vollendet. Ähnlich ist es mit den Arbeiten der 
Holz- und Steinplastik und der Tafelmalerei: „Sie fallen zeitlich mit den 
besten Werken der Baukunst, mit den reichsten Schöpfungen des Kunst- 
gewerbes und mit dem Entstehen unseres Ofens überein." 
Vergessen wir nicht, daß das Land Salzburg in erster Linie berufen 
war, südliche Anregungen an Deutschland weiterzugeben. Bayern erhielt 
schon im frühen Mittelalter lombardischen Einfluß auf die Baukunst durch 
Vermittlung von Salzburg, später Elemente der oberitalienischen und süd- 
tiroler Malerei über Salzburg. Richtig ist: „Bayem hat von seinem stamm- 
verwandten I-Iinterlande mehr empfangen, als ihm gegeben." 
Und dieser Weg, den_ alle Techniken, alle Stilarten gegangen sind, ist 
auch dem Kunstgewerbe nicht verschloßen geblieben, schon gar nicht 
jenem ihrer Zweige, in dem Italien neben anderen stets das Beste geleistet 
hat ; der Keramik mit der Kenntnis der Herstellung und Verwertung 
farbiger Glasuren. 
Wohl ist Tirol von allen deutschen Ländern Italien am nächsten 
gestanden, unter seinem starken EinHusse hatte es aber bereits zu Beginn 
des XVI. Jahrhunderts für die Keramik die Renaissance voll aufgenommen. 
Erst am Straßenknotenpunkt zwischen den Alpen und der Donau traf sich 
italienische Technik und der deutsche Formenausdruck der letzten Gotik; 
im Lande Salzburg, und nur dort konnten daher jene bedeutenden Werke 
deutscher Kunstkeramik entstehen, über deren Provenienz wir bisher im 
Unklaren waren. 
Nürnberg ist uns nicht vorausgegangen, dies sollte bei der Beurteilung 
unserer Arbeiten der Spätgotik und Frührenaissance, soweit sie diesem 
Kunstgewerbe angehören, nie vergessen werden. Die alte Reichsstadt hatte 
uns aber rasch überholt und darin liegen die Ursachen, warum wir heute, 
beim Fehlen aller Nachweise so schwer österreichische Werke für uns 
zurückgewinnen können.
	        
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