verändern, fondern es wird direkt auf den Charakter der Gene--
ration einwirken, denn auch die Erziehung zur anftändigen Ge=
ftaltung der Räume, in denen wir wohnen, kann im Grunde nur
eine Charaktererziehung fein, die die prätentiöfen und parvenü=
haften Neigungen, die zu der heutigen Zimmerausftattung ge=
führt haben, unterdrückt. □
So führt die Verfolgung der eigentlichen Grundlage, auf denen
die neue kunftgewerbliche Bewegung aufgebaut ift, von felbft zu
einer Erweiterung, zur kulturellen Bedeutung des Kunftgewerbes.
Hber auch auf dem eigentlich künftlerifchen Gebiete fehen wir
bereits, wie die anfänglich fcbmal gefteckten Grenzen des Kunft»
gewerbes an fich überfchritten werden. Von der eigentlichen
kunftgewerblicben Idee, der gefchmackvollen Geftaltung der
Handwerkserzeugniffe ausgehend, ift das Kunftgewerbe bereits
zur Umgeftalterin unterer Wohnung geworden. Es ift im Begriffe,
eine neue Wohnungskultur heraufzuführen. In diefer Richtung
liegt heute das eigentliche Ziel feines Wirkens. Von der Ge=
ftaltung des Innenraums aus bis zur Geftaltung des Wohnhaufes,
in welchem der Innenraum auftritt, ift aber nur ein Schritt. Und
tatfächlich läßt fich heute fchon beobachten, wie der Hausbau,
zunäcbft der Bau des kleineren Landhaufes, von dem vom Kunft»
gewerbe ausgehenden Gedanken beeinflußt wird. Die eben an=
getretene neue Bewegung im Hausbau kann im ganzen dabin
definiert werden, daß an die Stelle der aufgeputjten, mit aller«
band hiftorifchem Formenkram überladenen Villa ein einfaches
Haus tritt, das fich an die ländlichen Baumotive anfcbließt und
nach logifcb fachlichen Grundfätjen aufgebaut ift. Diefer Wecbfel
in der baulichen Gefinnung ift aber derfelbe Wecbfel, der aus
dem alten, mit biftorifcben Formen arbeitenden Kunftgewerbe
zum neuen auf fachliche Grundlage geftellten Kunftgewerbe ge«
führt hat. Die wenn auch unbewußte Beeinfluffung vom Kunft«
gewerbe aus ift augenfcbeinlicb. Und die einfachen Gedanken«
gänge des Kunftgewerbes find im Begriffe, ficb noch weiter in
die Architektur hinein zu erftrecken. Die veränderte Strömung
im Landbausbau ift nur der Anfang gewiffer vereinfachender
Tendenzen in der Architektur überhaupt. Bei der enormen
Wichtigkeit, die der Architektur im Kulturbilde einer Zeit zu«
kommt, kann man fagen, daß erft dann, wenn die Grundlage
des Kunftgewerbes auf das ganze große Gebiet der privaten
und öffentlichen Baukunft ausgedehnt find, die wahre Miffion des
Kunftgewerbes erfüllt fein wird. □
Daß die mit fo großer Energie einfetjende kunftgewerbliche
Bewegung auch auf den Gebieten der Malerei und Skulptur
Parallelen findet, fei hier nur angedeutet. In der Malerei ift das
neuerdings wieder auftauchende Beftreben zu nennen, im Sinne
des alten ftrengen Wandgemäldes zu komponieren. Wir treffen
hier auf einen ftark ausgefprochenen Zug unterer Zeit, der in
gleicher Weife in der Plakatkunft, in den grapbifcben Künften,
in der Illuftration wie in einem Teile der Malerei zu bemerken
ift. Und in der Skulptur läßt fich erfreulicherweife in neuerer
Zeit ebenfalls ein Zug zum ftraffen Stilifieren, zum Lapidaren
beobachten, der die bisherige Genrerichtung und Tbeaterpofe ver«
läßt. Das erfreulichfte Zeugnis dafür ift vielleicht das neue
Bismarckdenkmal in Hamburg. □
Zieht fo die neue Bewegung, die fich zuerft als rein kunftge«
werbliche Bewegung zu erkennen gab, bereits in allen Künften
ihre Kreife, fo daß man heute fchon fagen kann, daß fie zu einer
allgemeinen Kunftbewegung geworden ift, fo ift auf der anderen
Seite doch nicht zu verkennen, daß die Bewegung bisher eine
faft ausfchließtich intellektuelle war, und daß fie fich im befonderen
im Wirtfchaftsleben unterer Zeit noch nicht wefentlich bemerkbar
macht. Die Bewegung ift von intellektuellen Kreifen ausgegangen
und bisher von ihnen getragen worden, und ihre Fortpflanzung
bat von Intellekt zu Intellekt ftattgefunden. Auf einem Gebiete,
das nicht nur künftlerifch, fondern auch gewerblich ift, wird es
aber vor allem darauf ankommen, daß die neue Bewegung auch
die gehörigen wirtfcbaftlicben Geleite findet. Hier beginnen die
Schwierigkeiten. Sie haben fich fcbeinbar gerade neuerdings
vermehrt, wo die materiellen Vertreter des Kunftgewerbes, das
heißt die Fabrikanten und Händler, laute Proteftkundgebungen
gegen die neue Bewegung und ihre Träger, gegen die Dresdener
Kunftgewerbeausftellung und gegen die Kunftgewerbefchulen von
fich gegeben haben. Bekanntlich ift eine Demonftration mit Hun«
derten von Unterfcbriften an die verbündeten Regierungen ein«
gereicht worden. Man könnte nun annehmen, daß hierin eine
ernftliche Bedrohung des kunftgewerblicben Gedankens zu er«
blicken fei, daß gewiffermaßen ein Gegner entftanden fei, der
mit feiner wirtfcbaftlichen Macht die künftlerifchen Anläufe im
Gewerbe zerftören und vernichten könnte. Solche Befürchtungen
müffen indeffen wefentlich zufammenfcbrumpfen, wenn man be=
denkt, daß die kunftgewerbliche Bewegung eine aus dem Geiftes«
leben der Zeit entftandene, aus einer inneren Notwendigkeit
hervorgegangene Bewegung ift, während die Protefte der Gegner
aus rein pekuniären Beweggründen entftanden find. In diefen
Proteften ift nichts weiter zu erblicken, als die Äußerung des
Unbehagens darüber, daß neue Ideen, die von Jahr zu Jahr mehr
Macht im Geiftesleben des Volkes gewonnen haben, den bis«
berigen Gefchäftsbetrieb der kunftgewerblichen Produktion auf«
gerüttelt, man könnte fagen angerempelt haben. Die Antwort
darauf find die Protefte. Im Grunde find fie nur ein erfreuliches
Zeichen, daß die Bewegung, die fich bisher auf einen kleinen
Kreis von Intellektuellen befchränkte, jetjt immer mächtiger an
die Pforten der kunftinduftriellen Fabrikation fcblägt und ihren
Unterbau da, wo er morfch ift, gefährdet. Die Proteftler find
jene Elemente, die fich in dem alten Betrieb woblfüblen, nach
welchem der Fabrikant angeblich fich nach dem Gefcbmack des
großen Publikums richtete und das große Publikum die albernen
Stilmoden willig binnahm, mit dem der Fabrikant feine Ab«
nebmer unterhielt. Plötjlicb fängt dies Abnebmerpublikum an,
felbftändig zu denken; es ift angeregt und aufgerüttelt durch
die Erzeugniffe der Künftler, es bat Ausftellungen gefehen und
wundervolle, barmonifche Innenräume erblickt, die von Künftlern
berrühren. Und es zweifelt nun an dem Rat, den ihm bisher
der Fabrikant und Händler gab. Es ift nur natürlich und menfch«
lieh verftändlich, daß der Fabrikant und der Händler zunäcbft
diefe Unbequemlichkeit bekämpfen werden. Aber, daß folcbe
Protefte und Angriffe einer großen geiftigen Zeitftrömung gegen«
über verhallen müffen, ift ebenfo klar. □
Und im übrigen kann man beute fchon darauf hinweifen, daß
es keineswegs gefchäftlich ausfichtslos ift, fich in den Dienft der
modernen Bewegung zu ftellen. Eine Anzahl von kunftgewerb«
liehen Produzenten, die logifcb und konfequent diefen Weg ver«
folgt haben, ift zu glänzender wirtfchaftlicher Entwicklung
gelangt. Es ift hier nur an die »Dresdner Werkftätten für
Handwerkskunft« erinnert, die aus kleinften Anfängen fich im
Verlaufe von acht Jahren zu einem Betriebe entwickelt haben,
der Hunderte von Tifcblern befchäftigt und Millionen umfetjt.
Allerdings gehört eins dazu: daß der Produzent nicht nur
mit feiner Berechnung, fondern auch mit feinem Herzen bei
der neuen Bewegung ift. Dann wird aber der Erfolg nicht
ausbleiben. Ja man kann fagen, daß den Fabrikanten, die
nicht Protefte gegen die neue Bewegung unterfchreiben, fondern
fich ihr als Anhänger anfcbließen, die Zukunft gehören wird.
Denn fie geben mit der geiftigen Bewegung der Zeit, während
die anderen den fruchtlofen Verfuch machen, fich gegen fie an»
zuftemmen. □
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