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Volltext: Monatszeitschrift VIII (1905 / Heft 5 und 6)

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Tartarendorf Murzutf und den Palast des 
Tartarenchan in Baktchissarai aufs Papier. 
Und diese Handschrift ist immer von 
einer so zierlichen Akkuratesse, wie mit 
der Feder eines Miniaturisten gemalt; an 
alte Stammbuchblätter denkt man bis- 
weilen. Alts feinste Kunst aber genießt 
man, wenn man seine nachgefühlten 
Architekturzeichnungen betrachtet. Das 
ist eine Kunst voll erlesenen Filigranreizes, 
wie er gotisches Maßwerk in spinneweb- 
feinen Zügen aufleben läßt, gleich Spitzen- 
mustern wirkt es. Wie Menzel liebt Alt 
die Juwelenphantasie der Barockkirchen 
und strichelt mit minutiösem Stift ihre 
Ornamentik nach. Wie gestochen liegt 
das da und seine italienischen Palast- 
fassaden haben oft das Aussehen gravier- 
ter Elfenbeinplatten. 
Stofflich ein Gegenstück zu diesen 
Stadtinterieuren und zu der Stimmung 
Alt-Wien bildet die Sonderausstellung Alt- 
Berlin des Professors Jakob. 
Er hält die breiten Treppen und die 
geräumigen Flure und die engen winkligen 
Gassen der ältesten Teile Berlins treu- 
fleißig fest. Kulturdokumente, oft von 
heimlichem Fontaneschen Reiz, sind diese 
Treppenhäuser von der Poststraße und 
dem Mühlendamm mit ihren weit ge- 
schwungenen Stiegenführungen, den 
schmiedeeisernen Geländern in der Zopf- 
ornamentik, die Nikolai- und Marien- Krawatte in Flachstickerei 
kirchenaufnahmen, das scheckige Dächer- Entwurf von Franziska Hofmanninger 
gewirr von Neu-Cöln am Wasser, die 
Inselbrücke und die alte Herkulesbrücke, die Schilderei der Friedrichsstraße und der 
Schloßfreiheitbuden mit ihren Bilderbogeniiächen, die Winkelhöfe der Petristraße mit ihren 
hölzernen Galerien, die Giebelder Grünstraßenhäuser, die charakteristisch die„Särge"heißen. 
Neben diesem alten Berlin das neue Berlin Skarbinas. 
Skarbina hat sich früh die moderne Großstadtstimmung zum Motiv genommen. Doch 
in seinerBerlinerLuft schwingt ein gewisses Parfum, das den Ursprung am Pariser Boulevard 
hat. Er liebt die Lichteffekte der abendlichen Großstadtstraßen, die Feerien der elektrischen 
Monde und die leuchtende Flut, die aus den Auslagen der Bazare strömt, das Gewimmel 
der Droschken und Omnibusse, die Phänomene der Laternen im Nebel, wenn ihre Flammen 
wie zitternde Dotter im Astralhof schwimmen. Man denkt an Charpentiers „Ville de lu- 
miere". Skarbina sucht noch nach Steigerungen solcher Lichteffekte; er bildet die natür- 
lichen Feuerwerke und die Illumination nach, die der Weihnachtsmarkt mit der kaleido- 
skopischen Licht- und Farbenmosaik der bunten Spielzeugbuden, den Lampions, den Kerzen- 
pyramiden der Tannenbäume bietet und die Magie des Bahnhoffeldes von einer Brücke 
aus gesehen, mit dem Spiel der Signallaternen, blitzend durch die Wolken der Lokomotive. 
Die Frauen, die über diese Straßen schreiten oder schlank aus einem Wagen 
steigen, heben sich mit der Grazie der Pariserin die Röcke. Skarbina hat aber auch den 
45'
	        
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