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Franz Joseph I.
Dabei setzte die absolute Stabilität des Schulgesetzes jeder inneren Ent
wicklung eine fast unüberschreitbare Schranke; das nothdürftige Mass von
Kenntnissen, welches in einer Trivialschule erlangt werden konnte, reichte
nicht mehr aus, seit Oesterreich dem materiellen und geistigen Verkehre mit
vorgeschritteneren Ländern sich immer weniger entziehen konnte, und der
grössere Umfang der Gegenstände, in welchen die Hauptschule unterrichtete,
wurde durch den Mangel an einem festgegliederten Lehrpläne und an dem
harmonischen Zusammenwirken der Lehrenden mehr als paralysirt.
Einen weiteren Hemmschuh bildete das Festhalten an den einmal sanc-
tionirten, weder methodisch eingerichteten noch stufenweise fortschreitenden
Schulbüchern, welche fast wörtlich unverändert durch Decennien beibehalten
wurden, während die Schul-Literatur eben während dieses Zeitraumes in dem
nächstverwandten Deutschland so grosse Fortschritte machte.
Hiezu trat endlich die vernachlässigte Lehrerbildung, zumal in dem halb
jährigen Präparanden-Curse das Studium der Pädagogik und Methodik hinter
der dringenderen Vervollkommnung des geringen Wissens aus den eigentlichen
Unterrichtsfächern noch Zurückbleiben musste. Die Art der Lehreranstellung,
die nicht selten auf Befähigung zum Schuldienste erst in zweiter Linie Rück
sicht nahm, und der klägliche Gehalt, mit welchem die Thätigkeit im Schul
dienste entlohnt wurde, wirkten mit jener Vernachlässigung zusammen, um dem
Lehrerstande auch die für sein fruchtbringendes Wirken unerlässliche äussere
Achtung zu entziehen.
Aus allen diesen Momenten ging nur zu häufig ein drückender Schul- und
Lehr-Mechanismus hervor, welcher jedem unbefangenen Beobachter bald so sehr
in das Auge fiel, dass die Meinung von den Zuständen der österreichischen Volks
schule noch ungünstiger wurde, als sie es zu sein verdiente.
Oesterreich’s Neugestaltung, das grosse Werk Franz Joseph’s I. (seit
2. December 1848), musste demnach auch eine neue Lebensperiode für die
österreichische Volksschule eröffnen.
Feuchtersleben’s Entwurf, der Ausgangspunct aller weiteren Unterrichts
reformen, sagt über die Volksschule:
„Im System des öffentlichen Unterrichts bilden die \ olksschulen das erste
und zugleich das wichtigste Glied; sie haben diejenige Summe von Kenntnissen
und Fertigkeiten zu lehren, welche künftig keinem Staatsbürger mangeln soll.
Wo das ganze Volk zur Theilnahme an der Gesetzgebung berechtigt ist, darf
keine Anstrengung und kein Opfer gescheut werden, um Allen den Unterricht
zu gewähren, ohne welchen jenes Recht ein Widerspruch wäre. Vermehrung
der Schulen und ihres bisherigen allzu ärmlichen Lehrstoffs, höhere Bildung der
Lehrer, eine günstigere äussere Stellung derselben, endlich eine solche Leitung
der Volksschulwesens, welche alle Interessen mit gleichem Eifer und gründlicher
Einsicht verfolgt, sind Dasjenige, was hier vorzüglich Noth thut.’
Die Haupt-Gedanken für ihre künftige Organisirung waren: