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Volltext: Alte und Moderne Kunst XXI (1976 / Heft 146)

Jahrhunderts hin, in dem künstlerisch gestaltete 
Brunnen keinen Platz mehr haben und den völlig 
der Natur angeglichenen Teichen und Wasser- 
läufen weichen müssen. 
ll. Brunnen in architektonischen Ensembles 
Ein Brunnen als Mittelpunkt eines Platzes oder 
Hofes wird immer die Aufmerksamkeit auf sich 
ziehen. Er übernimmt von der umgebenden Ar- 
chitektur ihre Kraftlinien, ihren Rhythmus und 
bildet einen Kulminationspunkt, in dem die Statik 
des Gebauten in die Dynamik des Wassers 
übergeht. Die Künstler, die mit dem Brunnenbau 
beschäftigt waren, haben dieser Bedeutung auch 
Rechnung getragen; die Integration des Brun- 
nens in seine Umgebung ist immer ein zentrales 
Anliegen gewesen. Gleichzeitig ergibt sich die 
Notwendigkeit, den Brunnen als Einzelkunstwerk 
zu sehen und ihn auch nach diesen Kriterien zu 
gestalten. Diese Zweipoligkeit schafft für die 
Beurteilung von Stadtbrunnen einen anderen 
Blickwinkel als für Parkbrunnen". 
Relativ spät tauchen in Wien Brunnen dieser 
Gattung auf. Aus dem 16. Jahrhundert haben 
sich Hafbrunnen in der Staltburg, im Nieder- 
österreichischen Landhaus und im Schweizerhof 
der Wiener Hofburg erhalten. Sie sind von ihrem 
Aufbau her reine Nutzbrunnen mit Einfassungs- 
platten und haubenartigen Überdachungen zur 
Reinhaltung des Wassers. In der Gestaltung die- 
ser zweckentsprechenden Ausstattung sind je- 
doch bereits Künstler am Werk, die den Brunnen- 
anlagen einen luxuriösen Anstrich verleihen. Ein 
besonders schönes Exemplar dieser Gattung ist 
der Brunnen im Niederösterreichischen Landhaus, 
der erst seit 1950 in seiner jetzigen Form aufge- 
stellt ist". Die drei Einfassungsplatten - der 
Brunnen stand immer schon an der Wand - 
zeigen jede eine andere Musterung. Die ge- 
schmiedeten Stäbe werden durch getriebene und 
ziselierte Blätter ergänzt und bilden ein spitzen- 
artiges Gitterwerk. Ebenso reich ist die von der 
Wand gelöste, vierteilige Brunnenhaube ver- 
ziert. Über dem mittleren Gitter befindet sich die 
Dotierung von 1570. Hier wird zum erstenmal 
die rein dekorative Ausschmückung, die künst- 
lerische Verzierung in den Vordergrund gestellt. 
Erst im Barock werden im Bereich der Brunnen- 
baukunst wieder neue Maßstäbe gesetzt. Ver- 
schiedene Komponenten spielen zusammen und 
schaffen einen neuen Typus. Der Nutzwert der 
Wasseranlagen tritt in den Hintergrund und 
macht dem repräsentativ-künstlerischen Aspekt 
Platz. Die Brunnenbaukunst von Rom mit ihrem 
Hauptvertreter Bernini regt die Künstler zu einer 
intensiven Auseinandersetzung mit diesem Thema 
an und wird - nicht so sehr vom Stil her als viel- 
 
mehr durch ihre neue Konzeption - vorbildlich. 
Entscheidend ist das Programm der Plastik, 
welches oft in komplizierten Allegorien ausge- 
drückt wird. So ist es natürlich, daß die plasti- 
sche Ausgestaltung beim Brunnenbau in den 
Vordergrund rückt. 
Ein Beispiel für den Einfluß Berninis ist der Ent- 
wurf Fischer von Erlachs für den Brunnen auf 
dem Krautmarkt in Brünn". Die 1690 datierte 
Zeichnung zeigt einen Felsenaufbau, der von 
Figurengruppen bevölkert wird. Das Einzelmo- 
ment wird zur Szenerie erweitert, wobei das 
Wasser thematisch einbezogen wird. Dadurch 
gewinnt die Brunnenbaukunst eine neue Dimen- 
sion. Das unmittelbare Vorbild für diesen Ent- 
wurf dürfte wohl der Vierflüssebrunnen von Ber- 
nini in Rom gewesen sein. 
Der theatralische Effekt, die „Szenerie", ist be- 
sanders stark bei der Brunnenanlage auf dem 
Hohen Markt betontß. Ursprünglich stand auf 
diesem Platze die vom älteren Fischer von Erlach 
entworfene, in Holz ausgeführte Josephssäule. 
Diese wurde 1725 wegen Baufälligkeit abgetra- 
gen, und an ihre Stelle trat der vom jüngeren 
Fischer entworfene Vermählungsbrunnen. J. Em- 
manuel Fischer von Erlach löst die Grundform 
des Tempietto auf und erweitert die Szene zu 
einem „Prospekt". Dieser Zug wird durch die 
Einbeziehung der beiden seitlichen Brunnen be- 
tont. Durch die Verbreiterung der Standflöche 
gewinnt die Szene an Lebendigkeit und erinnert 
an Theaterinszenierungen: ein Einzelmonument 
wird zur Szenerie erweitert. 
1737 erhält Georg Raphael Donner den Auftrag 
für den Brunnen auf dem Mehlmarkt in Wien, 
dem jetzigen Neuen Markt. Dieses Kunstwerk 
bedeutet einen Wendepunkt in der Geschichte 
der Brunnenbaukunst". Während früher Hof und 
Adel als Auftraggeber fungierten, ist es hier der 
Magistrat der Stadt Wien. Und in Donner fand 
man eine Künstlerpersönlichkeit, die imstande 
war, sowohl formal als auch inhaltlich neue 
Wege zu gehen. Das steinerne Becken war schon 
1737 vorhanden. Die ursprüngliche Planung sah 
nur die Mittelfigur vor, 1739 wurde der Aufbau 
um die vier Randfiguren erweitert. Donner ver- 
wendet ein manieristisches Schema, wie es z. B. 
der Augustusbrunnen in Augsburg repräsentiert. 
Um die zentrale Mittelfigur gruppiert er am 
Beckenrand die radial angeordneten Neben- 
figuren; durch diese Anordnung vermeidet er die 
Ausbildung einer Schauseite, wie sie so gerne in 
den barocken Szenarien verwendet wird. Die 
Rundansichtigkeit wird auch in jeder einzelnen 
Plastik betont. Die Zentralfigur der Providentia 
schraubt sich in manieristischer Drehung in den 
Raum. Die Randfiguren - es sind dies die Fluß- 
 
11 Providentiabrunnen. Fi ur der Traun. Ge 
phael Donner, 1739. leiguß. Original 
Österreichischen Galerie im Unteren Bel 
Barockmuseum 
12 Mosesbrunnen. Johann Martin Fischer, 17 
tallguß, Marmarsockel mit Relief. Wien, l 
ziskanerplatz 
13 Josefsbrunnen. Johann Martin Fischer, 1B 
tallguß, Marmorsockel mit Relief und 
köpfen. Wien, l., Graben 
14 Donauweibchenbrunnen. Architektonischi 
bau von Heinrich Ferstl, Bronzeplastik 
Anton Dominik Fernkorn, 1860161. lm lr 
der ehem. Österreich-Ungarischen Bank. 
l., Freyung 
Anmerkungen 22-30 
11 Zur atlgerneinen Einführung: A. Rautenberg, Mi 
liche Brunnen in Deutschland. Diss., Freiburg i. 
1965. Bestandsaufnahmen: Wien am Anfang des ' 
hunderts. Hrsg.. Usterr. lng.- u. Arctiiiekrenw 
Bd.: Hochbauterl, Architektur und Plastik. Wii 
G. Kapner- Freiplastik in Wien. Wiener Schriften, 
Wien-München 1970. Dehio-Handbuch: Die Kunst 
ler UsterreichsfWien. Wien 1954. Üsterreichischi 
fapagraphie: Hans TietzelWien. 2 Bde, Wie 
Alte Ansichten: H. Tietze: Alt-Wien in Wort u 
Wien 1926. Ders.: Das Vormarzliche Wien in V 
Bild. Wien 1925. 
U R. Feuchtmüller: Das niederösterreichische Landh 
Kunsthistorisches Denkmal. 151371850. Wien 1' 
naissance in Usterreich. Katalog der Aussteil 
Schloß Schallaburg 1974, Kat-Nr. 740. O. 
Österreichische Großgitter. ln: Alte und modern 
Nr. 49, Wien 1961. _ 
1' Vgl. Aurenhammer, Fischer von Erlach, op. cit. 
73 Th. Zacharias: Josef Emrnanuel Fischer von Erlar 
1960. J. Schmidt Fischer von Erlach der Jüni 
Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stal 
Bd.14, Wren1933. 
71' K. Blauensteiner: G. R. Donner. Wien 1944. I 
mayer: G. R. Donner, in: Epochen und Werk 
1960. M. Schwarz: G. R. Donner, Kategorien der 
München 196a iniii Angabe der neueren Liter: 
Grimschitz: G. R. Donner - Der Brunnen auf der 
Markt in Wien. Stuttgart 1959. G. Künstler Ü 
Donner-Brunnen in Wien, in: Alte und modern 
Jg. 1, W1en195Q, S 99 ff. 
7' Lt freundlichem Hinweis von Dr. R. Milesi, K14 
gleichzeitig Allegorien der vier Jahreszeiten. 
7' M. Poch-Kalous: Johann Martin Fischer. Wien 19 
in Geschichte der Stadt Wien, op. cit. 
7' M. Poch-Kalous in Geschichte der Stadt Wien, op. 
3" F. Otten: Ludwig Michael Schwanthaler, 180271 
Bildhauer unter König Ludwigt von Bayern. 
1970. K. Eidlinger: Ludwig Michael von Schwi 
1802-1548. ln: Die Bildhauerfamilie Schwanthaler. 
der Ausstellung in Reichersbergllnn, 1974.
	        
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