Internationale
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Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde
Herausgeber: Norbert Ehrlich
20. Jahrgang Wien, 15. Juni 1928 Nr. 12
*Die älteste Bildersammlung der Welt.
Verkauf der Graischen Mumienporträts,
In aller Stille hat sich, wie wir erfahren, in jüngster
Zeit ein Besitzwechsel vollzogen, den Wien ebenso zu
bedauern Ursache hat, wie er Berlin zur Ehre gereicht.
D>e weltberühmte Sammlung altägyptischer Mumien-
b i 1 d e r aus dem Nachlaß Theodor Grals ist von den
Antikensammlungen der staatlichen Museen in Berlin
käuflich erworben worden.
Die Grafsche Sammlung repräsentiert die älteste
Bildersammlung der Erde. Theodor Graf, an den
sich ältere Wiener gewiß noch erinnern werden, war ein
kunstbeflissener Exporteur, ein Großkaufmann, der oft
nach Aegypten fuhr, um seinem Hause größere Geschäfts
möglichkeiten zu geben. Einmal brachte ihm ein Beduine
dort ein von Sand überdecktes Holzbrettchen, auf dem
man Spuren von Malerei wahrnehmen konnte. Graf
unterzog sich der Mühe, es zu reinigen, und siehe da,
ein schönes Männerporträt kam zum Vorschein. Er er
kannte sofort, daß es sich um eines der Mumienporträts
handle, wie sie vereinzelt schon in den Sammlungen des
Britischen Museums und des Pariser Louvre zu sehen
waren, doch viel schöner -und auch besser erhalten. Er
folgte dem Verkäufer zu der Stätte, wo er das Bild ge
funden hatte, und sah seine Vermutung bestätigt, daß es
sich um eine Begräbnisstelle handle.
Graf erhielt mit der Zeit viele solcher Bilder, die
sich die Beduinen immer besser bezahlen ließen. Manche
lagen tief im Sande vergraben und mußten erst zusam
mengestellt werden, andere wieder waren wohlkonser
viert. Aller Wahrscheinlichkeit hatten plündernde Be
duinen die Mumien zerstört, weil sie reichen Schmuck
zu finden hofften, die Mumienporträts aber, die auf den
Gesichtern der Einbalsamierten lagen, als vollständig
wertlos wieder in den Sand geworfen.
Die Mumienporträts wurden in London, Paris, Brüs
sel und Berlin öffentlich ausgestellt und erregten überall
das größte Aufsehen. Zeitungen und Zeitschriften brach
ten Besprechungen und Abbildungen, Gelehrte und
Künstler, Archäologen und Anthropologen begrüßten sie
mit freudiger Ueberraschung und mancher Maler ver
suchte mit heißem Bemühen, die Technik dieser Bilder
zu ergründen; es waren die ersten antiken Tafelgemälde,
die in den Kreis der Forschung traten. Es hat sich ja
durchaus nicht alles erfüllt, was durch die Auffindung
dieser Bilder erhofft wurde, und noch heute sehen uns
diese Bilder rätselhaft an; noch sind viele Fragen offen
geblieben und doch haben sie in vielem unsere Kenntnisse
von antiker Malerei gefördert, in vielem völlig neue
Aufschlüsse gebracht.
Theodor Graf, der bereits dadurch bekannt geworden
war, daß er den sogenannten Papyrus Rainer
(heute in der Nationalbibliothek) nach Wien gebracht
hatte, gelangte zu hohem Ansehen in der wissenschaft
lichen Welt. Erzherzog Rainer kaufte auch eine Anzahl
dieser Bilder, aber seine Mittel reichten nicht aus, die
ganze Sammlung zu erwerben. Sonst fand sich in Wien
niemand, der für diese Porträts Geld opfern wollte. Be
wunderung, ja, soviel man wollte, aber Geld . . .
Die Sammlung kam später in das Dorotheum, das
einen Moment den Plan erwog, sie zu versteigern; der
Plan wurde aber gleich wieder fallengelassen, da man
sich mit Recht keinen Erfolg von einem solchen Schritte
versprach. Auch die Absicht, sie freihändig zu verkaufen,
wurde als aussichtslos aufgegeben. Nun hat sie endlich
einen Käufer gefunden, allerdings nicht in Wien, sondern
in Berlin, das durch diese Erwerbung gewiß einen neuen
Anziehungspunkt für Forscher gewonnen hat.
Ein Gutes hatte indes der Umstand, daß die Samm
lung durch längere Zeit im Dorotheum war: Regierungsrat
Dr. B u b e r 1, der Leiter der Kunstabteilung dieses In
stitutes, nützte die günstige Gelegenheit, um die Mumien
porträts zu studieren und verfaßte dann eine Monogra
phie über die Grafsche Sammlung, welche einen bleiben
den Gewinn für die Wissenschaft bedeutet.
Die Antikensammlungen der staatlichen Museen in
Berlin haben die Grafsche Mumienbildersammlung bereits
zur öffentlichen Besichtigung ausgestellt und werden ge
wiß dafür Sorge tragen, daß sie auch in Zukunft stets
allen Interessenten zugänglich ist.
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