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hingearbeitet, wie leider nur zu häufig im kleinsten Wohnhaus unserer Tage.
Das strenge Rechteck beherrscht den Grundriß, bedingt die Dachform und
aus aller Lebendigkeit der Silhouette oder Flächengliederung spricht ein ein-
facher und ruhiger Baukörper, der einer klaren und traditionellen Anlage ent-
spricht. Im Innern ist ja auch dieser einfache Baugedanke vorwiegend - so
mannigfaltig seine Durchführung auch variiert sein mag. Scherwände und
Unterteilungen lassen sich dem Holzgerüst leicht und natürlich einfügen;
wo das Durchgehen des großen Hallenraums es verlangt, kann auch die
Zwischendecke unterbrochen werden und wo die Verringerung der Geschoß-
höhen es erwünscht macht, kann eine leichte Decke eingeschoben werden.
So gestattet das günstige Baumaterial und - das muß allerdings
betont werden - der relative Mangel an ängstlichen und allzu hemmenden
feuerpolizeilichen Vorschriften die Anpassung an alle Berufszweige des
städtischen Lebens. Wie viel Geschmack und Empfindung spricht sich aber
in der Art aus, wie diese einfachen Hilfsmittel verwendet werden.
Zu den wichtigsten dekorativen Elementen zählt die Reihung, die
Wiederholung gleichwertiger Bauglieder. Durch sie wird auch ohne jeden
plastischen Schmuck, ohne jeden formalen Reichtum das Wechselspiel der
Felderteilung großlinig umgrenzter Flächen zum Schmuck, immer ist eine
charakteristische, einfache Teilung vorhanden, die von großem Verständnis
für Flächenwirkung zeugt. Plastische Gliederung entsteht von selbst durch
die dem Fachwerkbau eigene Vorkragung der Geschosse. Dieses teils aus
dem streng konstruktiven Grunde einer günstigsten Ausnutzung der Trag-
fähigkeit von Deckenbalken, teils dem Streben nach weitgehender Ver-
wertung der Bodenfläche entsprungene Motiv trägt wesentlich zur lebendigen
Wirkung bei, die dann im Dachgeschoß, im weit ausladenden Giebel oder
in der vorkragenden Traufseite mit den großen gegiebelten Dachfenstern die
höchste Steigerung erfährt.
Allein durch Verschiedenartigkeit der Höhenlage und kleine Variationen
der Detailbehandlung wird so ein prächtig abwechslungsreicher und doch
einheitlicher Eindruck erzielt, den die selten geradlinige, meist leicht bewegte
Straßenführung begünstigt. Steht dann, wie es so oft geschah, ein schlanker
Tor- oder Rathausturm oder ein hoher Kirchenbau als Abschluß der Straße
und point de vue im Gesichtsfeld, so empfinden wir den Geist der Zusammen-
gehörigkeit, der selbst so verschieden geartete Organismen zusammen-
schließt, besonders lebhaft. Dabei ist aber lokalen und traditionellen Varia-
tionen formaler Natur Spielraum genug gelassen.
Überblicken wir unser heutiges Abbildungsmaterial, so können wir die
Variation des städtischen, bürgerlichen Fachwerkbaues durch mehrere
weit auseinander liegende Gebiete und weit voneinander getrennte Zeit-
räume verfolgen. _
Wir sehen an den drei berühmten deutschen Beispielen des „Knochen-
hauer Amtshauses" in Hildesheim mit seiner noch mittelalterlich strengen,
geradlinig konstruktiven Durchbildung, des „Kammerzellschen Hauses" in