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Volltext: Monatszeitschrift VIII (1905 / Heft 11)

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wir gerade die einfachsten und anspruchslosesten Äußerungen alten Kunst- 
empfindens in ihrer Klarheit, Ruhe und Bewußtheit bewundern lernen. 
Wir wissen heute, daß das Ornament leicht äußerlich nachzuformen ist, 
daß aber die Gesinnung einer ganzen Epoche dadurch nicht übertragbar wird. 
Das künstlerische Leben, das aus dem reichen dekorativen Schmuck, aus 
Schnitzwerk und Plastik spricht, ist für uns geradezu unerreichbar. Nicht nur 
das naive Empfinden, die intime Beziehung der Kunst zum täglichen Leben, 
fehlen uns fast gänzlich, auch die handwerkliche Fertigkeit ist verloren ge- 
gangen; was einst der Tischler und selbst der Zimmermann aus eigenem 
durchbilden konnten, muß heute auf Umwegen nach Entwürfen des Architekten, 
nach Modellen des Bildhauers zugefügt werden. Dadurch entsteht das 
Gesuchte und Gekünstelte, das modernen reichgeschmückten Bauwerken 
eigen ist. Weil man es im Nachformen so herrlich weit gebracht hat, ist das 
selbständige Formen und Gestalten so selten geworden. 
Für den Grund und Ursprung allen Bauens aber, für konstruktives Ge- 
fühl und praktische Formgebung ist der einfache Fachwerkbau ebenso lehr- 
reich wie der reiche, ja mehr noch. Seine Anwendung wird heute nicht mehr 
im Stadtbild von Bedeutung sein können. Um so wichtiger ist er auf dem Lande, 
wo seine Einfachheit und Heiterkeit der Wirkung not tun, wenn ihn die kli- 
matischen Verhältnisse nur irgend gestatten und wo ihn die leider so schwer- 
fälligen Bauordnungen nicht verhindern. 
Frankreich war stets sehr rührig im Anknüpfen an heimische Bauweise. 
Die Badeorte der nordfranzösischen Küste haben die nahen Bauten der 
Normandie zu ihrem Vorteil benutzt. Auch Deutschland ist eifrig damit be- 
schäftigt, aus dem alten Bestand Nutzen zu ziehen; überall ist man dabei, 
seine Schonung und Erhaltung zu fordern. Es haben sich auch größere 
Veröffentlichungen von Architekten und Kunsthistorikern seiner angenommen, 
nur ist leider die so notwendige Beziehung vom Bauwerk zu den kulturellen 
Verhältnissen seines Ursprungslandes und seiner Ursprungszeit zu seinen 
eigentlichen Lebensbedingungen nicht oft genug hergestellt worden. Eine 
der größten und gründlichsten dieser Publikationen, jene von Cuno und Schäfer, 
legt noch das Hauptgewicht auf geometrische Darstellung konstruktiver 
Einzelheiten. Lachners Arbeiten betonen auch formal-historische Grund- 
lagen. Später traten lokale Verbände zum Schutze der Heimatkunst mit der 
ausgedehnteren Benutzung des Lichtdrucks auf und mit der Absicht, nicht 
bloß für Architekten Wertvolles zu bringen, sondern auch auf weitere Kreise 
anregend zu wirken. So wurden die Hessischen Holzbauten (L. Bickell) 
und die alten sächsischen Fachwerkbauten (Dr. O. Döring) durch eine 
Sammlung von Lichtbildern festgehalten. In neuerer Zeit kam eine Auswahl 
Deutscher Fachwerksbauten der Renaissance (F. Corell) in Lichtbildern bei 
B. I-Ießling heraus. 
Im Kreise der Freunde einfacher, ländlicher Bauweise wird auch für die 
Aufmessung und Darstellung jener Stiefkinder der Kunstforschung eifrig 
agitiert, die bisher nur der Maler zu schätzen und zu suchen pflegte und so
	        
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