hat, macht es wahrscheinlich, daß sie ebenso wie die kostbaren, mit Email-
farben und Gold verzierten Glaspateren, welche in Cölner Gräbern des
IV. Jahrhunderts gefunden wurden, ursprünglich ein Opfergerät war, freilich
im Gegensatz zu diesen ein heidnisches. Im Orpheus-Kultus spielte die
Götterbewirtung eine ebenso große Rolle wie in dem des Mithras. Die
beiden gleichgeformten, mit bedeutsamen Szenen aus den Mythen beider
Götter geschmückten Geräte dürften wohl die gleiche Bestimmung beim
angeblichen „Opfer des Brodes" gehabt haben. Das Grab, in welches die
Orpheus-Schale, nach den Fundumständen im IV.Jahrhundert, getan wurde,
war jedenfalls kein christliches, wie so viele des Gräberfeldes an St. Severin,
denn seit dem III. Jahrhundert verschwindet Orpheus aus dem christlichen
Kulte. Die Entlehnung des Tierbildes von Seite der Katakombenkunst
- in dieser im II. Jahrhundert besonders häufig _ war unter dem Ein-
flusse der in den Orpheus-Mysterien ausgesprochenen Unsterblichkeitstheorie
erfolgt, welche die Tiergestalten, dem pantheistischen Grundzuge der Orphik
entsprechend, mit den Ideen der Seelenwanderung in Verbindung brachtefi
Im Bilde des Orpheus sahen die Christen den Heiland, in den Tieren,
welche sich bald ausschließlich in eine Lämmerherde verwandelten, die
Gläubigen, welchen er in Wahrheit die Unsterblichkeit verbürgt. Vom III.
Jahrhundert ab verwandelt sich die zoologische Musterkarte zuerst in den
Katakomben von S. Callisto in die Lämmer der Schrift, hierauf Orpheus
selbst in den guten Hirten. Die synkretistischen Versuche der Philosophen,
christliche und heidnische Weltanschauung miteinander zu versöhnen, hatten
die Kirchenlehrer, insbesondere den gestrengen Tertullian, mißtrauisch
gemacht und ließen es geraten erscheinen, scharf gegen alle symbolischen
Vermittlungsversuche der beiden Lehren aufzutreten, durch welche das dem
Untergang geweihte I-Ieidentum sich noch eine Galgenfrist zu retten suchte?
In der heidnischen Kunst dagegen wurde das Tierbild des Orpheus häufiger
als je vorher, denn was nicht christlich war, suchte in den Mysterien des
Mithras und des Orpheus sein Heil und dies war zu Beginn der Herrschaft
Konstantins ungefähr die Hälfte der Bevölkerung des Riesenreiches.
Bekanntlich schwankte Konstantin lange zwischen Mithras und Christus,
bis er sich aus politischen Gründen für letzteren entschied und dessen
Lehre zur Staatsreligion erklärte.
Vor drei Jahren wurden in Straßburg i. E. zwei Bruchstücke einer
Sigillataschale aufgefunden, ein größeres aus der Mitte und ein kleineres
vom Rande, welche, wie mir Professor Johannes Ficker mitteilt, gleichfalls
mit dem Tierbilde des Orpheus verziert und mit derselben Negativform
hergestellt sind wie das Cölner Exemplar. Diese Bruchstücke werden im
Museum der Gesellschaft für Erhaltung der geschichtlichen Denkmäler im
Elsaß verwahrt. Ein anderes Beispiel von Innendekoration auf Sigillata
besitzt das Berliner Antiquarium gleichfalls in einer flachrunden Schale von
" Heusner, a. a. 0., S. 7.
" De Waal in Krauß' Realenzyklopädie der christlichen Altertümer, s. „Orpheusß