baues. Es gab ja Leute, sie sind noch keineswegs ausgestorben, die davon
träumten, man könne Dampfmaschinen auch mit Renaissancemotiven ver-
sehen, moderne Geschütze mit der Fülle von Ornamenten ausstatten, die
zu einer Zeit, als die Schießtechnik kaum über die einfachsten Erfordernisse
hinauskam, einem Mechanismus beigegeben werden konnten, des furchtbare
Entwicklungsfähigkeit als Zerstörungsinstrument erst unsere Zeit erkannt
hat. Ähnlicher Mißgriffe gibt es viele; sie müssen belanglos werden gegen-
über der klaren Einsicht, daß das Entstehen der Form aufs engste mit dem
Zweck verknüpft sein muß.
Auch da sind, wie in der Natur, der Grundformen nur wenige; aber ihre
Ausbildung, das Gegenseitigkeitsverhältnis und unendliche Kombinations-
möglichkeiten haben eine Unsumme von eigenartigen Erscheinungen dadurch
zuwege gebracht, daß das konstruktive Moment auch nicht in einem einzigen
Punkt zu Gunsten anderer Erwägungen in den Hintergrund trat. Darin
beruht der Eindruck der Schönheit, den eine Maschine machen kann; darin
beruht anderseits der Eindruck des Mangelhaften, den eine baukünstlerische
Leistung macht, bei der die konstruktiven Überlegungen zurücktreten gegen-
über dem Schwalle dekorativer Einzelheiten. Selbst bei manchen Bauten, die
als „modern" gelten, trifft dies zu; mit der Anwendung einer Reihe von Zier-
gliedern allein, die in keinem Nachschlagebuch der Ornamentik unter einer
bestimmten Stilrubrik eingetragen sind, macht man keine zweckdienliche
neue Architektur. Handelt es sich nun darum, bei Objekten, deren ganze
Existenz von einer Reihe maschineller Einrichtungen abhängt, auch die
künstlerische Ausgestaltung ins Auge zu fassen, so wäre ein Hand in Hand
gehen des einen mit dem andern eigentlich als selbstverständlich vorauszu-
setzen. Da kommt nun aber der Stilbeflissene, der sich „auf Kunstsachen
versteht", und sagt: Quod non!Wozu wäre denn der ganze Formenschatz von
sechs vergangenen Jahrhunderten publiziert, als daß man ihn „komponierend"
zu Rate zieht. Also wird beschlossen: Speisekajüte in Renaissance, Damen-
zimmer selbstverständlicherweise in Rokkoko, Rauchsalon barock und so
weiter, alles aber, was nicht zu den Gesellschaftsräumen gehört, so einfach
und praktisch wie möglich.
Schreiber dieser Zeilen hatte in Hamburg Gelegenheit, auf einem der
großen neuen Dampfer im Tone höchsten Lobgesanges von einem „Fach-
mann" sagen zu hören: „Es ist wirklich famos, wie diese Räume hergerichtet
sind, man verliert vollständig den Eindruck, sich auf einem Schiffe zu
befinden!"
Die Aufgabe, einen Bodenseedampfer „ohne jedwede Beeinträchtigung
der konstruktiven Teile" künstlerisch auszugestalten, ist nun zwar kein Auf-
trag umfangreicher Art, immerhin aber bot er Gelegenheit, sich in bewußten
Gegensatz zu stellen jener großen Zahl von anderen Dampfern des gleichen
Binnengewässers gegenüber, bei denen in Rippenverschalung, in Stützen-
ummantelung und ähnlichen Dingen überall der Beweis erbracht ist, daß es
sich auch hier darum handelt, den eigentlichen Charakter der Sache möglichst