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auf Stil. „Ruhe, Majestät, Kraft, Ernst, Schönheit im Wesen, nicht im Beiwer ", sagte
Pater Notker. Merkwürdig genug nehmen sich diese Arbeiten in der Sezession aus,
obgleich, wie uns Pater Wilibrord verriet, Lenz selbst sagt, sie wären die ersten Sezes-
sionisten gewesen. Das meiste, was ausgestellt ist, geht auf Pater Desiderius selbst zurück.
Er war unerschöpflich an Motiven und Eingebungen. Eine große Anzahl Studien zeigt,
mit welchem Fleiß er an der Durcharbeitung seiner Themen (etwa einer Pieta) sich miihte.
Dabei waren ihm alle Künste recht; er baute, bosselte, mosaizierte und malte, wenn auch
der eigentliche Freskant der Schule Jakob Wüger war. Wenn wir heute diese Arbeiten
betrachten, dürfen wir übrigens nicht vergessen, daß sie vor 30 bis 35 Jahren entstanden
sind, als alle Welt noch, wenn man so sagen darf, tief im Oberflächlichen des gangbaren
Realismus stak, die kirchliche Kunst aber ratlos die fabriksrnäßigen Fadaisen der Epigonik
kopierte. Beuron war also eine stilistische Tat und man muß nur hoffen, daß es auch die
Fortschritte der Stilistik aufnimmt, wie man sie ja bei Maurice Denis (übrigens einem
Freunde des Pater Wilibrord) und anderen Neumeistern wahrnimmt. Auch in der jetzigen
strengen Gebundenheit, mit den Anklängen an ägyptische, assyrische, überhaupt archaische
Weise, wirken diese Arbeiten als Ausdruck eines tiefen, geistigen Lebens, einer religiösen
Verinnerlichung, die ihre eigene Sprache spricht. Übrigens soll demnächst eine Schrift
von P. Ansgard Pöllmann in Beuron erscheinen, die sich mit diesen Strebungen beschäftigt.
Der Wiener Anteil an der Ausstellung ist ganz beträchtlich. Fast alle stärkeren Talente
des Hauses haben sich in den Dienst der seltenen Aufgabe gestellt, Ferdinand Andri und
Architekt Plecnik voran. Sie haben eine Art aufgerollter Taufkapelle geschaffen, mit
freskoartigen Malereien von Engelhart, jettmar, König, Lenz, Karl Müller und Andri.
Nicht allen liegen ja diese Dinge, aber sie waren sämtlich mit aller Kraft dabei. In der
Mitte ist ein überraschend gutes Glasfenster von Ederer, bei Geyling ausgeführt, und vor
diesem steht ein interessant aufgestuües Taufbecken mit einer Halbfigur des Täufers aus
vergoldetem Holz, das Ganze eine Vollprobe Andrischen Talents. Ein anderes Hauptstück
der Ausstellung sind die herrlichen Glasmalereien johann v. Mehoffers (Krakau) für die
Kathedrale von Fribourg (Schweiz). Überreich an Formen und überstark an Farbe,
möchte man sagen, wenn man nicht völlig von ihnen erobert wäre. Unter den berühmten
auswärtigen Gästen sieht man Ashbee, Besnard (die Kartons für die Spitalkirche in
Berck-sur-Mer), Maurice Denis (drei Bilder), Gauguin, Stuck, Uhde, Gebhardt, Corinth.
In dieser Nachbarschaft hält sich Krämer vortrefflich. Schließlich hat die „Deutsche
Gesellschaft für christliche Kunst" eine große Sammlung ihrer Kunstwerke hereingeschickt,
die aber nur zum geringsten Teile dem kritischen Auge von heute standhalten.
LBERTINA. In der Albertina sieht man jetzt, von Kustos Dr. Meder sorglich aus-
gelesen und zusammengefaßt, auch künstlerisch adjustiert, über zweihundert Blatt
Zeichnungen, Aquarelle und so fort ausgestellt, meist Karikaturen jenes Jung-Wien, aus
dem sich die Sezession und der I-Iagenbund herausgesondert haben. En bloc hieß dieser
Nachwuchs von vor zehn Jahren die l-Iagengesellschaft. Nicht weil Hagen den Drachen-
töter tötete, sondern weil der Gastwirt beim „blauen Freihaus" in der Gumpendorfer-
straße Hagen hieß. In diesem Lokal wurde nämlich der Stoff verzapft, unter dessen
erleuchtendem Einflul] die Maljünglinge dann im nahen „Cafe Sperl" sich auf den blanken
Marmortischen mit Stift und Pinsel austobten. An Stelle dieser systematischen Tisch-
beklecksung, die eine Menge Stegreiftalent auslöste, entstanden die Albums der Hagen-
gesellschaft, in denen die unausrottbare juxlaune der vom Schicksale zu einstweiligem
Trübsalblasen Angehaltenen - sie hatten nämlich alle zusammen nichts zu tun - sich in
praktischerer, weil durch keinen Kellnerschwamm wegwaschbarer Weise betätigte. Ein
Gedicht Ernst Stöhrs, der diese Albumpolitik anregte, mit einer Zeichnung Rudolf Bachers,
worin die ganze Tischzeichnerclique dargestellt ist, zierte das erste Blatt des ersten
Folianten. Von der Hagengesellschaft, der auch Nichtkünstler angehörten, spalteten sich
dann Teile ab. Eine Gruppe Verschwörer braute in der „weißen Rose" bei den Paulanem