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Volltext: Monatszeitschrift VIII (1905 / Heft 11)

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Solowecki-Kloster am Weißen Meer I-Ieiligenbilder malen. Dort sah ihn Großfürst Wladimir 
und brachte ihn an die Petersburger Akademie. Er verlegte dann seinen Schwerpunkt nach 
Nowaja Semlja, wo er in selbstgezimmerter Blockhütte hauste und das Karische Meer auf 
selbstgebauter Yacht befuhr. Der Zar, dem ihn Witte empfohlen hatte, trug die Kosten; 
ein „Kap Witte" auf den Landkarten ist der Dank Borissoffs. In Wien sind wir durch 
seine Polarbilder an die Julius von Payerschen erinnert, die von Adolf Oberrnüllner so 
appetitlich und ateliersauber ausgeführt waren. Seitdem sind mehr als dreißig ]ahre ver- 
ilossen und Polarbilder sehen jetzt ganz anders aus. Der Pariser Impressionismus drückt 
ihnen seinen Stempel auf. Wie Claude Monet seinen berühmten I-Ieuschober oder die 
Kathedrale von Rouen, studierte Borissofi" seine Samojedenhütten bei den verschiedensten 
Beleuchtungen und zu allerlei jahres- und Tageszeiten, was immer eine koloristische 
Novität daraus macht. An Exotik fehlt es natürlich nicht. Alle Launen des Eises und alle 
Lichter der Mitternachtssonne spielen drein, um die Szenerien mehr oder weniger ins 
Unwahrscheinliche zu rücken. Im Museum Alexander III. zu Petersburg hängen eine An- 
zahl großer Bilder, die diese Natur zusammenfassend wiedergeben. Auf die Reise hat 
Borissoff nur kleinere geschickt, unter denen die Studien wegen ihrer Unmittelbarkeit am 
meisten interessierten. Es ist „Kodak" darin, und auch das hat seinen Wert. 
KLEINE NACHRICHTEN 51b 
ERLINER KUNSTCHRONIK. Der Meinungskampf, der sich um die Ver- 
öffentlichungen Meier-Gräfes erhoben, die Fehde, bei der auf der einen Seite für 
Liebermann und den französischen Impressionismus gestritten und Böcklin entthront, auf 
der anderen Seite von Thode in Heidelberg gerade an Böcklin und Thema die Mahnung 
„Ehret eure deutschen Meister" erhärtet wird, dieser Meinungskampf findet Spieglung und 
Illustration in den gegenwärtigen Ausstellungen. Schulte feiert Böcklin, der neuerstandene 
Salon Gurlitt zeigt eine reiche Thema-Folge und in den Cassirerschen Räumen öffnet 
sich Claude Monets Reich. 
In diesen so verschiedenen künstlerischen Klimaten zu wandeln, ist anregender und 
aufschlußreicher als jene Polemiken zu verfolgen. Man lernt unter diesen Bildern, jedes 
Temperament nach seinem eigenen Maßstab messen und nicht nach der Tabulatur 
einer Partei. „Niemand soll von einer Gerichtsbarkeit belangt werden, unter die er nicht 
gehört", sagte August Wilhelm Schlegel von solch befangenen künstlerischen Kanonikern. 
Zu revidieren wird es immer geben und Böcklin wird sich viel mehr als Thoma 
nach der hochgespannten Schwärmerei der letzten Jahre eine ruhige prüfende Betrachtung 
gefallen lassen müssen. Seine phantasievoll erschatfende, naturbelebende, mit Gesichten 
voll Leibhaftigkeit gesegnete Persönlichkeit bleibt dabei doch bestehen. 
Die Schultesche Gedächtnisausstellung, die voll Stimmung inszeniert ward, bietet 
nun freilich aus des Meisters Werk Manches zweiten und mittleren Ranges. Die imposante 
Wirkung jener früheren großen Akademieausstellung konnte nicht erreicht werden. 
Es ist hier mehr historisch-geschichtliche Übersicht gegeben, Proben des Schaffens 
von 1864 bis r888. Dabei viel Varianten von Motiven, die in reicherer und glücklicherer 
Ausführung existieren und hier mehr zu kunstphilologischen Studien veranlassen als 
künstlerisch unmittelbar wirken. 
So gewinnen ein neues Interesse die „Geburt der Venus" und der „Liebesfrühling" 
dadurch, weil man sie jetzt in Zusammenhang mit den Schickschen Aufzeichnungen 
betrachten kann. Die frühsten Bilder dieser Folge sind Aquarelle aus dem Sommer 1864; 
Bildentwürfe waren es, die einem Baseler Kunstfreund zur Auswahl gesendet wurden. 
Bei Schick kann man lesen, welche Umarbeitungen mit ihnen vorgenommen wurden; aus 
einem Entwurf, den wir hier sehen, ist dann das Petrarca-Bild des Baseler Museums hervor- 
gegangen. Aufschlußreiche Betrachtungen zur Genesis und zur Entwicklungsgeschichte
	        
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