MAK
Nr. 3 
Seite 18 Internationale Sammler-Zeitung 
Betliniano. Es erregt eben jetzt die besondere 
Aufmerksamkeit der Kunstwelt, da es im jüngst 
versendeten Verzeichnis der genannten Galerie 
abyebildet ist und unter den vielen Gemälden 
dieser Sammlung jedenfalls zu den wertvollsten 
gehört. Ich habe gute Gründe zu vermuten, daß 
es ein Selbstbildnis des Malers ist u. zw. 
jenes, von dem man weiß, daß es 1828 in Paris 
aus der Sammlung Francillon versteigert wurde. 
Auch jenes Bildnis trug die Jahreszahl 1521. Leider 
steht mir die alte Abbildung des Bildes der SarntH* 
lung Francillon nicht zur Verfügung. Demnath 
wäre diese Angelegenheit einmal noch weiter zu 
verfolgen, wie denn auch ein jugendbildnis her« 
anzuziehen wäre, das 1505 von Giovanni Bellini 
gezeichnet wurde. Vittore scheint einer der Lieb« 
lingsschüler Giovanni Bellinis gewesen zu sein. 
Denn dieser ließ sich von Vittore porträtieren, 
vielleicht zur selben Stunde, als er selbst den 
Schüler zeichnete. Beide Bildnisse - es sind kleine 
gehöhte Zeichnungen auf Papier - befinden sich 
im herrlichen Musee Conde zu Chantilly. Auf dem 
Bildnis Bellinis von der Hand des Vittore ist oben 
eine Schrift sichtbar, die nicht mehr leserlich ist. 
Aber unten steht ganz deutlich: „Io bellinum nictor 
discipulus p. 1505“. Io kann nur: Joannem und p. 
nur: pinxit bedeuten. Auf dem Bildnis des Vittore 
Belliniano, das Giovanni Bellini in meisterhaften, 
sicheren Zügen entworfen hat, steht unten „victorem 
discipulum Io bellinus. p. 1505“. Es ist der weiß 
gehöhte Profilkopf eines jungen Mannes. Wie ich 
hoffe, wird die Vergleichung mit dem Bildnis von 
1521 in der Sammlung Coray=Stoop keine unüber« 
brückbaren Gegensätze in den Gesichtszügen er« 
geben. Die Jahreszahl 1505 ist die früheste, die 
wir aus Vittores Leben zur Verfügung haben. 
Dank den Forschungen und Zusammenstellungen 
von Paoletti in seiner „Raccolta di documenti ine« 
diti per servire alla storia della pittura veneziana“ 
von 1894 und von G. Ludwig im Jahrbuch der 
königl. preuß. Kunstsammlungen von 1905 und 
namentlich der Verarbeitung älterer Literatur in 
Julius Meyers Künstlerlexikon haben wir für die 
weitere Lebenszeit des Vittore Belliniano eine 
ganze Reihe von Jahreszahlen zur Verfügung. - 
1507 wird der Künstler als Gehilfe des Giovanni 
Bellini bei Bildern für den großen Ratssaal im 
Dogenpalast urkundlich erwähnt. Man nannte ihn 
da „Vittore di Matteo“, da sein Vater, wie das 
aus mehreren anderen Urkunden erhellt, Matteo 
hieß. - 1508 muß er schon einen gewissen Ruf 
genossen haben. Wird ihm doch schon damals zu« 
gleich mit Carpaccio und Lazaro Bastiani die Be« 
gutachtung der Fresken Giorgiones am Fondaco 
dei Tedeschi zu Venedig übertragen. 1509 (und 
1513) kommen Zeugenunterschriften des „Victor 
Mathei“ vor. Mit der Jahreszahl 1510 war ein sig« 
niertes Gemälde unseres Künstlers versehen, das 
sich vor Jahren beim Restaurator Reichert in Mün« 
dien befunden hat. - 1515 erhielt Vittore eine 
Abzahlung (von acht Dukaten für Arbeiten im 
Dogenpalast. 
Als Giovanni Bellini 1516 gestorben war, er« 
hielt Vittore den Auftrag, das unvollendete Riesen* 
gemälde mit der Marter des Heiligen Markus fertig 
zu malen, das für die Scuola di San Marco in 
Venedig bestimmt war. Ursprünglich hatte 1505 
schon Gentile Bellini eine Skizze für ein solches 
Bild geliefert, doch erfolgte die Ausführung durch 
Giovanni Bellini und unseren Vittore di Matteo. 
Der Letztgenannte vollendete das Werk 1526, wie 
er das selbst auf dem Bild vermerkt, unter dessen 
Datierung er seinen Namen hinsetzte „VICTOR 
BELLINIANUS“ (in heller Schritt) - 1517 wird 
Vittore im Statutenbuch der Venediger Malerzunft 
neben Roceo Marconi und Seb. Zuccato als Sin* 
dicato genannt. - 1518 lautet, wenn auch nicht 
vollkommen sicher, die Jahreszahl auf dem leidlich 
deutlich signierten Gemälde mit dem jungen Mann 
vor dem Kreuz, einem Werk von Tizian’scher Kraft, 
das sich in der Galerie zu Bergamo erhalten hat 
und wiederholt kritisch besprochen worden ist. 
Ob nicht das sogenannte Broccardobildnis der 
Galerie zu Budapest von derselben Hand ist? - 
1520 erhält Vittore eine Zahlung für das Fertig* 
malen einer Altartafel, die vonPensaben begonnen 
worden war. Sie kam nach Treviso in die Kirche 
San Nicolo, ist aber seither verschollen. — 1521 
fällt das oben besprochene Selbstbildnis des Malers 
in der Sammlung Coray*Stoop - 1524 vollendete 
Meister Vittore ein großes Altarbild mit der Krö* 
nung Mariens und anderen Figuren für die Kirche 
zu Spinea bei Mestre. Ich konnte das Bild an Ort 
und Stelle studieren. - 1526 vollendete und sig* 
nierte Vittore Belliniano das riesige Bild mit der 
Marter des heiligen Markus für die Scuola di San 
Marco. Es wurde schon oben erwähnt. Diese Lein* 
wand ist schlecht erhalten, sie war schon recht 
übel zugerichtet, als sie 1836 aus der Lagunenstadt 
an die Donau kam und zwar in die Akademie der 
bildenden Künste, was man aus einer Arbeit von 
Ceresoie erfährt. In der Wiener Akademie war 
das Bild lange eingerollt, dann als Ruine ausge* 
stellt. Endlich hat die geschickte Hand des Kustos 
Ed. Gerisch aus dieser Leinwand noch heraus* 
geholt, was möglich war. Mehrere nähere Mittei* 
lungen über das Bild stehen in meiner „Geschichte 
der Wiener Gemäldesammlungen“ Kapitel IV. Einer 
der Profilköpfe auf dem Markusbild könnte das 
Selbstbildnis des Malers sein, doch läßt sich diese 
Angelegenheit meinerseits gegenwärtig nicht über* 
prüfen, weil uns Wienern dieses Bild mit vielen 
anderen vor kurzem nach Italien entführt wurde. 
— Zwei Jahre nach 1526 gab es bei Vittore Anlaß, 
an die Kürze des menschlichen Daseins zu denken. 
V. Belliniano machte 1528 sein erstes Testament. 
Dieses wurde aber 1529 widerrufen und im August 
jenes Jahres durch ein neues ersetzt. Keinesfalls 
hat der Künstler nachher noch lange gelebt. Denn 
schon am 21. Dezember 1529 ist urkundlich von 
der Witwe Vittores die Rede. Er muß also zwischen 
dem August und 21. Dezember 1529 verstorben 
sein. Seine Mutter Agnes hat ihn überlebt. Daraus 
möchte man wohl schließen, daß er kein besonders 
hohes Alter erreicht hat. Wenn wir ihn 1505 als 
etwa zwanzigjährig annehmen nach der Bildnis* 
Zeichnung in Chantilly, so wäre er 1529 ca. vier 
undvierzig Jahre alt gewesen. 
Die Literatur hat den Künstler schon um die 
Mitte des 16. Jahrhunderts erwähnt. Vasari spricht 
in bestimmter Weise von ihm und seinem großen 
Markusbilde. Francesco Sansovino (1580) nennt 
es ebenfalls. Ridolfi kannte später eben dieses 
Gemälde in der Scuola di San Marco und die Krö 
nung Mariens in der Kirche zu Spinea. Boschini 
ging an unserem Künstler nicht achtlos vorüber in 
seinen führer—artigen Büchern von 1664 und 1679, 
woran sich dann noch eine Reihe von Erwähnungen 
in Büchern und Zeitschriften aus neueren Zeiten 
anschließen. Merkwürdiger Weise fehlt Vittore 
Betliniano in einigen beliebten Nachschlagebüchern 
gänzlich, oder er muß sich dort mit einer trockenen
	        
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