Der Inhalt dieser Weihnachtslieder ist ziemlich gleich. Sie tragen nicht den
betrachtenden Charakter der geistlichen Lieder, sondern sind eigentlich „Hirtenlieder"; in
äußerst lebendiger, säst durchgehends dramatischer Weise schildern sie die Wache der Hirten
bei ihren Herden in der heiligen Nacht, bis ihnen zuerst eine ungewöhnliche Helle am
Himmel, die sie sich nicht erklären können, und dann ein Engel den Grund dieser Er
scheinung, nämlich die Geburt des Heilands, offenbart, worauf sie mit Geschenken zur
Krippe eilen, um das göttliche Kind anzubeten. Diese Hirtenlieder sind oft von einer
ergreifenden Innigkeit und Zartheit, daneben von einem unsagbaren Humor. Ich setze
eines der weniger bekannten Lieder meiner Sammlung hierher. Es stammt ans dem
XVII. Jahrhundert:
Holla Brueder, was g'schicht heunt,
Daß im Himmel so schön scheint,
Geh nn hin zum Fritzel, sag,
Daß nm zwölf Uhr wird hennt Tag.
Die Vogelen singen all,
Laut schlagt die Nachtigall,
Der Stieglitz und der Zeisele singt,
Das Lerchai voll Freud in die Höh' anffispringt.
I woaß net, was dös Ding bedeut't,
Daß Guggu in den Winter schreit,
Hab' so schön g'schlafen ein,
I woaß nöt, was dös Ding soll sein,
Wie dort ein Engel schreit:
Ich verkünd' euch große Freud!
Sie singen das Gloria auch zugleich,
Der Fried' sei auf Erd' und im Himmelreich.
Engel: „Nur auf, herzliebste Hirten all,
Dort in Bethlehem ist ein Stall,
Dort wird euer König sein
Als ein Kindlein so jung und klein.
„Geh Urban las nn' her,
Und Jaggel, du nimmst's Mehl,
Und i will lasen nm an' Butter hinein,
I glab, der Bua werd hungrig sein."
„Grüeß di' Gott, du alter Mann,
Nimm von uns das Opfer an,
Seh' (sieh), da hast mei' rupfene Pfoad,
Mach daraus dem Kind a Kload,
Deck ihn a wenig zua,
Zerfriert ja gar der Bua,
Dös Kindlein ist no gar zu klein
Hier bei Ochs und Eselein."
„O liebste Mutter halt nur an
Für uns bei dem liebsten Sohn,
Weil er nackend liegt im Stall,
Muß leiden für uns Sünder all.
O Jesulein, du Kindlein rein,
Laß uns doch nit in d'Sünd hinein,
Wollst unser Seel' und Leib bewahren
Vor Krieg und Pest und allen Gefahren.
Hirtenlieder dieser Art zählen in Tirol nach vielen Hnnderten. Die große Anzahl
derselben erklärt sich daraus, daß es den Schullehrern, die gewöhnlich den Gesang
leiteten, daran lag, stets neue den frommen Zuhörern vorznführen.